Ein aufregendes Rennen durch die Nacht erlebten die Seesegler zum Auftakt ihrer Internationalen Deutschen Meisterschaft im Rahmen der Kieler Woche. Nach dem Start am Sonnabendvormittag kehrten die 40 Crews in den frühen Morgenstunden des Sonntags in den Hafen zurück, hatten die Gewässer der dänischen Südsee und der deutschen Küste zwischen Fehmarn und Kiel in ihrem Kielwasser. Die niederländische „Tonnere de Breskens“ querte als Erste das Ziel am Kieler Leuchtturm und führt in der ORC I. Spitzenreiter in den weiteren Klassen sind die „X-Day“ (Max Gurgel, Hamburger SC, ORC II) und die „patent³“ von Jürgen Klinghardt (Lübecker YC, ORC III).
Zufrieden blickte Wettfahrtleiter Stefan Kunstmann auf die Langstrecken-Wettfahrt zurück, die die Crews zunächst in den kleinen Belt, dann entlang der dänischen Inseln Aeroe, Langeland und Lolland und schließlich von Rödby nach Fehmarn und von dort in einer langen 40 Seemeilen-Kreuz bis zum Ziel am Kieler Leuchtturm geführt hatte. 140, 120 bzw. 110 Seemeilen betrug die Strecke für die einzelnen Gruppen, und der Wind trieb die Crews die gesamte Nacht hindurch voran. „Wir hatten einen tollen Start in der Kieler Innenförde unter Spinnaker und keinerlei Flautenlöcher in der Nacht, auch wenn es da ein bisschen böiger war. Mit Winden um 18 Knoten, manchmal auch über 20 Knoten konnten alle sehr gut umgehen. Die letzte lange Kreuz war dann natürlich harter Tobak. Die große Chance für die Crews, ihre Liebe zum Segelsport unter Beweis zu stellen“, so Kunstmann mit einem Schmunzeln.
Auch wenn nicht alle Teams Fans einer Langstrecke sind, so gab es nach der Rückkehr an Land doch viele glückliche Züge in den erschöpften Gesichtern. „Das war das, was wir uns vorgestellt haben“, sagte beispielsweise Kirsten Harmstorf von der „Tutima“, die mit ihrer Frauencrew in der ORC I auf Rang vier segelte. „Wir hatten größtenteils unseren Spaß. Allerdings waren die raumen Kurse für uns nicht immer optimal. Sie waren teilweise sehr spitz, so dass wir unseren Spinnaker bei der Windstärke wegnehmen mussten.“ Kunstmann bestätigte: „Die Boote mit einem Code 0 waren auf einigen Kursen sicherlich etwas im Vorteil.“
Als schnelle Gleiter erwiesen sich die "Tonnerre de Breskens" (rechts) und die "Sportsfreund". Foto: okpress
Genusssegeln war die Langstrecke für die niederländische „Tonnerre de Breskens“. Der schwarze Renner, die ehemalige deutsche „Varuna“, ist mit einer professionellen Mannschaft um Eigner Piet Vronn unterwegs. Klassiker wie die „Carribean 600“ oder das Rolex Fastnet Race stehen ständig im Regatta-Kalender der Ker51. In diesem Sommer fährt die Crew in der Ostsee, will hier noch an verschiedenen Regatten teilnehmen. Und ein 140-Seemeilen-Rennen mit langen Schlägen unter Gennaker ist wie geschaffen für die Yacht. Die deutschen Crews der „Sportsfreund“ von Axel Seehafer (SV Heiligenhafen) und der „Silva Neo“ mit Dennis Gehrlein (Kieler YC) sind ebenfalls gute Gleiter, konnten nach gesegelter Zeit aber nicht mit den Niederländern mithalten. „Wir hatten einen guten Start und waren 50 bis 100 Meter vor der ,Tonnerre'. Dann sind die aber einfach in Lee von uns durchgefahren, und nach 500 Metern waren sie außer Sichtweite. Wir kamen uns vor wie eine Telefonzelle“, sagte „Sportsfreund“-Eigner Seehafer. „Aber als sie weg waren, haben wir uns auch wieder schnell gefühlt.“ Auch Crewmitglied Bertil Balser, Vorsitzender der Regatta-Vereinigung Seesegeln, fühlte sich wohl: „Wir hatten Spaß. Ich hatte es mir zur Kieler Woche schlimmer vorgestellt. Man musste ja nicht einmal Winterreifen aufziehen. Die 40 Meilen Kreuz am Ende waren allerdings hart.“
Auch nach erneutem Bootswechsel bleibt Max Gurgel (Hamburger SC) in der Erfolgsspur. Der deutsche Meister von 2014 (mit der „Solconia“) und 2012 (mit der „RubiX“) mischt das Feld der ORC II nun mit der „X-Day“ auf. „Unser bisheriger Steuermann Niels Gauter hatte beruflich zu tun. Daher haben wir uns nach einem neuen Steuermann umgesehen“, berichtete „X-Day“-Eigner Walter Watermann (Kiel). „Max' Vorzüge sind, dass er sehr gut steuert und einfach nicht locker lässt, wenn jemand vor ihm ist. Er passt sehr gut zu uns.“
Ein seit Jahren bewährtes Boot steht in der ORC III an der Spitze. Die sechsmaligen Deutschen Meister von der „patent³“ demonstrierten Stärke auch auf der von ihnen ungeliebten Langstrecke. „Entscheidend war unser guter Start, danach gab es kaum taktische Optionen. Lediglich vor der langen Kreuz von Fehmarn nach Kiel war die Frage, ob nach links oder rechts. Wir haben uns für den Kurs unter der deutschen Küste entschieden, und das war aufgrund der Strömung richtig. Dazu haben wir die Dreher immer gut erwischt“, so Steuermann Henning Tebbe. „Wir sind selbst überrascht, dass es so gut gelaufen ist, denn eigentlich sind wir noch in der Vorbereitung auf die WM und gucken gar nicht so auf die Ergebnisse.“ Kritik gab es von der Crew des kleinen Schiffes für die Kurswahl. „Es mag sein, dass die langen Kurse für Boote wie die ,Sportsfreund' Spaß machen. Für uns ist das weniger lustig. Wir mögen viele Manöver und hatten in 18 Stunden nun gerade einmal neun – so viel wie sonst auf einer Up-and-Down-Wettfahrt“, so Tebbe. Sein Eigner Jürgen Klinghardt bemängelte deshalb auch die Wahl der Rundungstonnen: „Es gibt genug feste Seezeichen in der Kieler Bucht. Da kann man auch einen Kurs auslegen, der mehr Manöver erfordert.“ Bertil Balser indes konterte diese Überlegungen: „Der Name Langstrecke sagt eigentlich alles. Es geht über Strecke, und es ist eben lang.“
Kürzer war der Seesegel-Einstieg in die Kieler Woche für die Breitensportler. Beim Welcome Race ging es am Sonnabend von Kiel nach Eckernförde und am Sonntag wieder zurück. Bei den Multihulls holte sich die Familie Hochfeldt (Kiel) den Gesamtsieg mit zwei ersten Plätzen. Ebenso souverän war die „Static Electric“ von Heiko Päsler (Cuxhaven) in der ORC Club II. Für die „Phoenix“ von Jan Reiners (Wasgau) reichten in der ORC Club I ein erster und ein zweiter Platz, und die „Misty“ (Sören Christiansen) stand mit zwei zweiten Plätzen an der Spitze der ORC Club III. In der Einheitsklasse Albin Ballad lag die „Strolch“ von Michael Langhans (Otterndorf) nach zwei Rennen an der Spitze.
WR gesamt Albin Ballad: 1. „Strolch“ Michael Langhans (Otterndorf,1/2) Punkte 3; 2. „Santa Catharina“ Willi Decker (Freibung,3/1)4; 3. „Fliegender Stern“ Klaus Lange (Hamburg,2/3)5; 4. „Tipitina“ Dr. Torsten Volkholz (Kiel,4/4)8; 5. „Albino“ Karl-Heinz Wulf (Kiel,5/5)10; 6. „Gonzo“ Jens Becker (Schwentinental,6/9)15;
WR gesamt ORC I: 1. „Phoenix" Jan Reiners (Wasgau,2/1) Punkte 3; 2. „Desna" Sven Wackerhagen (Kiel,1/5)6; 3. „Peter von Danzig" Hans-Heinrich Von Maydell (Kiel,5/2)7; 4. „Ember Sea" Jens Burmeister (Rostock,3/6)9; 5. „Edelweiss" Thomas Reinecke (Hamburg,7/3)10; 6. „Inschallah VI" Volker Andreae (Hamburg,6/4)10;
WR gesamt ORC II: 1. „Static Electric“ Heiko Päsler (Cuxhaven,1/1) Punkte 2; 2. „Jux Box“ Jan Meincke (Kiel,5/2)7; 3. „Piranha“ Christian Rönsch (Hamburg,4/3)7; 4. „Topas“ Dr. Harald Brüning (Kiel,2/9)11; 5. „Jalapeno“ Hinnerk Blenckner (Eckernförde,8/4)12; 6. „Svea“ Bernd Zeiger (Kiel,9/5)14;
WR gesamt ORC III/VI: 1. „Misty“ Søren Christiansen (GER,2/2) Punkte 4; 2. „Max“ Eckart Pirwitz (Kiel,5/3)8; 3. „Caelestia“ Olaf Höhn (Lütjenburg,4/4)8; 4. „Blanc Bleu“ Joerg Delecate (Kiel,3/8)11; 5. „Carpe Vivem“ Andreas Betz (Überlingen,6/10)16; 6. „4 Sale“ Hans Genthe (Hamburg,16/1)17;
WR Kiel/Eckernförde Multihull: 1. „Trifeldt“ Karsten Hochfeldt (Kiel,1/1) Punkte 2; 2. „Silver Dragon“ Peter Quorning (DEN,2/2)4; 3. „Flotter Dreier“ Falk Kaempfe (Flensburg,4/3)7; 4. „Flotter 3er“ Christiane Waldmann (Kiel,5/4)9; 5. „Libellae“ Georg Hillebrand (Hamburg,6/5)11; 6. „Dragonflay 25“ Rüdiger Schwarz (Bremen,7/6)13;
IDM See ORC I: 1. „Tonnere de Breskens“ Piet Vroon (NED,1.2) Punkte 1.2; 2. „Sportsfreund“ Axel Seehafer (Heiligenhafen,2.4)2.4; 3. „Silva Neo“ Dennis Gehrlein (Schwetzingen,3.6)3.6; 4. „Tutima“ Kirsten Harmstorf (Hamburg,4.8)4.8; 5. „Broader View Hamburg“ Katrin Hilbert (Ratzeburg,6)6; 6. „Aquis Granus IV“ Rolf-Hendrik Wittenberg (Achen,7.2)7.2;
IDM See ORC II: 1. „X-Day“ Max Gurgel (Hamburg,1.2) Punkte 1.2; 2. „Joki“ Kim Jensen (DEN, 2.4)2.4; 3. „Arxes Tolina BM Yachting“ Peter Beck Mikkelsen (Flensburg,3.6)3.6; 4. „Dockenhuden“ Thomas Jungblut (Hamburg,4.8)4.8; 5. „Sporthotel“ Karl Dehler (Greifswald,6)6; 6. „Ginkgo“ Dirk Clasen (Wedel,7.2)7.2;
IDM See ORC III/VI: 1. „Patent3“ Henning Tebbe (Hamburg,1.2)1.2; 2. „Bachyaching racing team“ Jascha Bach (NED,2.4)2.4; 3. „Lottchen“ Oliver Devrient (Berlin,3.6)3.6; 4. „Varuna X Press“ Kai Haupthoff (Fahrdorf,4.8)4.8; 5. „One Group“ Niels Gauter (Kiel,6)6; 6. „Chinook“ Johann Friedrichsen (Flensburg,7.2)7.2;