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Regatten

Kiel – Paris – L.A.? Wettfahrtleiterschmiede in Schilksee

Kiel Schilksee. Ihr Traum? Olympia. Wenige von ihnen werden es schaffen. Den Weg dorthin haben sie eingeschlagen. 16 Wettfahrtleiterinnen und Wettfahrtleiter aus Europa und den USA lernen im Regattahaus des Olympiazentrums Schilksee für die höchste Lizenz im internationalen Segelsport.

Im Regattahaus in Schilksee trainieren die Internationalen Wettfahrtleiter in spe. (c) Carina Wegner/ KYC

Gemeinsam vertieft für die höchste Lizenz im internationalen Segelsport. (c) Fabian Bach/ KYC

Bruno de Wannemaeker erläutert, was bei den verschiedenen Arten von Briefings und Meetings zu beachten ist. (c) Carina Wegner/ KYC

Geschafft. Die zwei Kieler in der internationalen Runde, Ausbilder Fabian Bach und sein Schüler Jan-Niklas Czekala am Ende des Auftakttages. (c) Carina Wegner/ KYC

Wie sorge ich für einen optimalen Start? Was mache ich bei drehenden Winden? Wie sorge ich dafür, dass alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der nächsten Wettfahrt dieselben Informationen zur Verfügung haben? - Das sind nur einige der Fragen, die im Jahr 51 nach den Olympischen Spielen in Schilksee intensiv diskutiert werden. „Das Leistungsniveau für das wir hier qualifizieren ist sehr, sehr eng“, so Fabian Bach. „Bevorteilt eine Startlinie ein Boot, entscheidet das im Zweifel über Sieg oder Niederlage, über die Qualifikation für das nächste internationale Top Event“, fährt der 37-jährige fort. Mit seinem belgischen Kollegen Bruno de Wannemaeker leitet er das World Sailing Race Management Seminar.
Sie wollen in den kommenden Tagen den letzten Schliff erlangen, um am Sonntag erfolgreich ihre Prüfung zu bestehen. Der Jüngste unter ihnen ist 21, der Älteste 67. Ein Viertel von ihnen sind Frauen. In Belgien, Lettland, Irand oder den USA sind sie ihre ersten Schläge gesegelt und haben erste Wettfahrten geleitet. Seitdem haben sie sich bis auf die nationale Ebene qualifiziert. Wer sich so gut auskennt wie sie, leitet u.a. die nationalen Meisterschaften. Ein höheres Niveau gibt es nur noch international, das höchste bei den World Sailing-Events wie Europa- und Weltmeisterschaften und den Olympischen Spielen. 
Da wollen sie hin! 
Wer hier sitzt, will seine Freizeit auf den Top Events des Segelns verbringen. Dieses Jahr sind es die Weltmeisterschaften im niederländischen Den Haag und die Jugend-Weltmeisterschaften im brasilianischen Armação dos Búzios und das olympische Testevent in Marseille, deren Leitung International Race Officers, kurz IROs, vorbehalten ist. 
Sie alle wollen im Ehrenamt für faires Segeln sorgen, für optimale Bedingungen, egal wie der Wind weht. Es ist die zweite Möglichkeit seit Corona, sich für die Lizenz zu qualifizieren. Die nächste Ausbildungsrunde – und zugleich die letzte in diesem Jahr – findet nur zwei Wochen später in Chile statt. In der Vergangenheit sind bis zu 70 % der Teilnehmenden nicht durch die Prüfung gekommen. Wer jetzt dabei ist, hat ein umfangreiches Auswahlverfahren hinter sich: Nur die besten Bewerberinnen und Bewerber haben es bis nach Kiel geschafft. 
Jüngster Teilnehmer der Veranstaltung und als Einziger hier ganz zu Hause ist KYC-Mitglied Jan-Niklas Czekala. Hinter vielen der anderen muss er sich gleichwohl nicht verstecken: Nach seinen Anfängen u.a. beim Strander KÜZ hat er Wettfahrten bei der YES und der Kieler Woche sowie der Baltic 500 geleitet. – Nächstes Ziel Paris 2024? „Nein“, erklärt er, „das ist nicht mehr zu schaffen.“ 
Der erste Schritt zur IRO-Lizenz sind Kurs und Prüfung wie hier in Schilksee. Danach haben die erfolgreichen Prüflinge vier Jahre Zeit, um den Praxisteil zu absolvieren: Bei mindestens acht Events, davon vier Top-Events, müssen sie die Wettfahrten leiten – so überzeugend für mindestens drei erfahrene International Race Officer, dass sie ihnen eine Empfehlung ausstellen. Das und die Referenz eines Veranstalters oder einer Klassenvereinigung machen die Qualifikation für die die höchste Lizenz im Segelsport komplett. 
Ist dann alles klar zum Ticket buchen?
Wer keine Eintrittskarte hat, geduldet sich besser noch: World Sailing beruft die Internationalen Wettfahrtleiter in einem geschlossenen Verfahren. Für die wenigen Positionen gibt es weltweit um die 400 Qualifizierte. In Deutschland sind es 19. Davon sind sieben Mitglieder im Kieler Yacht-Club. Klar ist: Erfahrung spielt eine große Rolle. Mindestens 40% des Wettfahrtleitungsteams werden in Paris/ Marseille 2024 weiblich sein. Glücklich kann sich schätzen, wer zu einem der Testevents oder den diesjährigen Weltmeisterschaften in Den Haag geladen wird: Wer hier überzeugt, hat gute Chancen die Leitung auch unter den olympischen Ringen übernehmen zu dürfen. 
 


Interview mit Fabian Bach

Fabian Bach (37) leitet mit seinem belgischen Kollegen Bruno de Wannemaeker (65) das World Sailing Race Management Seminar in Schilksee. Sie sind zwei von aktuell sechs Ausbildungsberechtigten bei World Sailing für die Prüfung zum International Race Officer, kurz IRO, für die höchste Lizenz im internationalen Segelsport für Wettfahrtleiter.

Redaktion: Fabian, im heimatlichen Revier bildest du hier die besten der Welt aus. – Ein internationales Heimspiel für dich? 
Fabian Bach: (lacht) Ja und nein. Ich komme vom und lebe am Bodensee. Kiel hat mich durch die Kieler Woche als Teilzeit-Bürger und Mitglied des Kieler Yacht-Clubs gewonnen. Seit ich 2010 das erste Mal auf dem Schlauchboot mitgefahren bin, habe ich keine Kieler Woche ausgelassen. 2012 bin ich Bahnwettfahrtleiter geworden. 2018 habe ich die Chef-Wettfahrtleitung für alle Regatten, die nicht offshore, also auf der Seebahn, gesegelt werden, übernommen. 
Redaktion: Was macht ein Chef-Wettfahrtleiter?
Fabian Bach: Unsere Aufgabe ist es, den Seglerinnen und Segler auf dem Wasser unter den gegebenen Umständen die besten und fairsten Bedingungen zu bieten.
Redaktion: Was genau macht ihr auf der Kieler Woche? 
Fabian Bach: Wir setzen die Standards und Verfahrensregeln. Obwohl die zehn Bahnwettfahrtleiter mit ihren Teams weitgehend selbstständig arbeiten, gibt es eine klare Hierarchie. Der Chef-Wettfahrtleiter legt fest, ob und wann ausgelaufen wird, was bei Ausbleiben des erforderlichen Winds geschieht oder wann ein Bahnwettfahrtleiter gegen ein Boot protestiert. Ohne solche Absprachen ist eine Veranstaltung wie die Kieler Woche nicht durchführbar.
Redaktion: Was macht eine gute Wettfahrtleitung aus?
Fabian Bach: Fairness, Transparenz, Unparteilichkeit – und ein offener, konstruktiver Umgang mit den Teamkolleginnen und -kollegen in den Wettfahrtleitungen und den Seglerinnen und Seglern. Wir machen, was wir machen, um den Seglerinnen und Seglern gute Wettfahrten zu ermöglichen. Um das zu schaffen, ist es wichtig, ein offenes Ohr für die Teilnehmenden zu haben – und sein Team geschickt zu managen. Auch wenn der IRO am Ende das letzte Wort hat, heißt das nicht, dass er nicht auch mal die Ankerleine zur Hand nimmt. 
Redaktion: Seit 2012 bist du selbst International Race Officer. Was sind die größten Meilensteine, auf die du zurückblickst? 
Fabian Bach: Rio 2016, die Olympischen Jugendspiele 2018, die Jugend-Weltmeisterschaft 2019 und die Nominierung für Tokio 2021.
Redaktion: Welche Rolle spielt deine IRO-Qualifikation für die Kieler Woche?
Fabian Bach: Eine große. Bei der Kieler Woche bieten wir seglerische Wettkämpfe auf hohem Niveau. Wo wir können, setzen wir IROs ein. Das schaffen wir - insbesondere dank der vielen International Race Officers im Kieler Yacht-Club, die sich für die Kieler Woche engagieren, - aktuell auf einem Großteil der Kurse, in jedem Fall auf allen olympischen. Und dieses Jahr bietet sie mit dem Sailing-WorldCup auch wieder die Chance, Punkte für World Sailing zu sammeln und so die Chance auf Berufung zu steigern.
Redaktion: Spannend. Gibt es noch Chancen für Neueinsteiger? Was muss man mitbringen? 
Fabian Bach: Chancen gibt es immer. Um den Weg beschreiten zu können muss man vor allem erstmal ein guter Wettfahrtleiter sein, zunächst im regionalen, dann später im nationalen Bereich. Dann ist der Schritt zur internationalen Lizenz jedoch immer noch ziemlich groß.
Redaktion: Was sind deine nächsten Pläne?
Fabian Bach: Als IRO freue ich mich selbst sehr, dass ich für das Test-Event in Marseille und die Weltmeisterschaften in Den Haag berufen bin. Damit habe ich gute Chancen, Paris 2024 mitgestalten zu können.


Text: Carina Wegner