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Fahrtensegeln

Yachten im Orkan. #Schiffertisch II

Es war wie in einer Waschmaschine im Schleudergang, die auf einer Achterbahn montiert ist“, erinnert sich Jörgen Heinritz an seinen Ritt durchs Fastnet Race 1979 an Bord der SY Rubin. Als der Orkan über die Irische See tobte, hatte der Skipper alle entbehrliche Crew unter Deck geschickt. Im 20-Minuten-Takt wechselten die Steuerleute durch.

Gebannt lauschen die Gäste im bis zum Bersten gefüllten Kaisersaal des Hotel Kieler-Yacht-Clubs den Geschichten ihrer Club- und Segelkameraden zum legendären Fastnet Race 1979 beim 2. Schiffertisch des Jahres am 07. Februar 2020, moderiert von Klaus Kalkreuth, Jörg Heinritz und Walter Meier-Kothe.
Die 27. Auflage der 605 Seemeilen langen Traditionsregatta von Cowes auf der Isle of Wight um den irischen Fastnet Rock zurück nach Plymouth war zeitgleich auch das letzte und entscheidende Rennen um den Admiral’s Cup. Das hier erzielteErgebnis ging dreifach in die Wertung ein. Je im Verbund von drei Schiffen kämpften die Nationen um den Pokal. Tina i Punkt, Jan Pott und Rubin traten für Deutschland im Admiral’s Cup-Team an. Ihre Gegner kamen aus 18 Nationen.
Aus der Reihe der Admiral's Cup-Segler sprach ein Segler für jede deutsche Crew, einer aus den Reihen des polnischen Teams. Alle weiteren deutschen Schiffe sandten je einen Vertreter auf das Podium im Kaisersaal des Alfried-Krupp-Hauses. Die Segler nahmen die Zuhörer, unter Ihnen auch junge Teilnehmer des 2019er-Rolex Fastnet Race, mit in die Orkannacht des 13./14. August 1979. Viele ihrer Crewkameraden saßen im Publikum, sprangen den Erzählungen bei.
Frisch aus dem NDR-Studio kam Meeno Schrader hinzu und steuerte die metereologische Sicht bei. „Kann das wieder passieren?“ – „Aber ja“, erklärte der Kieler: „Das Wetter wird immer extremer. Im Oktober 2019 hatten wir einen Hurricane der Kategorie 5 in dem Gebiet.“ Martin Menzner, KYC, erklärte die technische Seite: „Die Konstruktionen waren auf die IOR-Formel optimiert. Das ging oft auf Kosten der Stabilität“, erläuterte der Yacht-Designer.
Als die Flotte Land’s End passierte sagte BBC Sturm mit Stärken von bis zu 8, in Böen 9, voraus. Wer Französisch konnte, wurde von den Seewetterberichten vor Winden bis 10, 11 Beaufort gewarnt. Was in der Irischen See über die Teilnehmer hereinbrach, hatte keiner erwartet. Das Ende ist bekannt.
„In tiefschwarzer Nacht fuhren wir an der Kreuz die illuminierten Wellenberge hinauf. Dann hieß es, den richtigen Moment zum Abfallen zu erspüren und an der Rückseite der Wellen ins Tal zu rauschen“, erzählt Walter Meier-Kothe von der SY Dorothea. „Dabei entschied oft der richtige Winkel“, ergänzte Dr Bernard Frieling, der die Hamburg X skipperte. Das lernte die Crew der Jan Pott schmerzhaft: „Auf dem Weg vom Fastnet Rock zurück sind wir vor dem Wind mit einem Affenspeed die Welle herunter gesurft, fast senkrecht eingetaucht und 360° durchgekentert“, so Hendrik Horn, der an Bord der SY Jan Pott segelte. Dr. Harald Brüning schilderte den Ruderbruch auf der Tina im gleichen Seegebiet und die seemännische Glanzleistung mit dem Spinnakerbaum als Notruder den Hafen Cork anzulaufen.
Von den über 300 teilnehmenden Yachten kenterten 75, fünf sanken, 19 Segler ließen ihr Leben, lediglich 85 kamen ins Ziel.

An die drei Stunden lag der Kaisersaal im Bann der Orkannacht. Die Februarnacht 40 Jahre danach klang an der Bar gemütlich aus.


Fotos: ©Gerda Schliemann
Text: C. Wegner