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Ausbildung

blueribboncup mit der Arndt

Mit dabei: Stefan Kunstmann - aka „Skipper“ aka „Offshore One“ aka „Der König“- darf selten vor den Traveller, weil er sich da immer verletzt. Schreibt heute Berichte, während er auf den Termin für seinen Rücken beim Physio wartet.

Jan „Focki“ Oswald – ob Steuer, Taktik oder Vorschiff, überall gut. Braucht wenig Schlaf.

Bernd „Bährnd“ Küper – SG-Leiter, der auch am Groß und Steuer zu Hause ist. Kann Budgets für neue Kugeln im Traveller-Lager direkt freigeben, nachdem er 20 Stunden daran arbeiten musste.

Ulrike „Ulriiiiiieeeke“ Küper – nicht nur Bernd’s Frau, auch ein schnelles Pit und sorgt sich um aller Wohlbefinden. Kommt immer mit massiv positiver Grundeinstellung an Bord.

Florian „Flo“ Schwakenberg – außer unter-Deck-bei-viel-Welle-sein durch nichts zu erschüttern. Lässt Schoten selbst ohne Törns auf der Winsch niemals los und kann unterwegs Trenndioden überbrücken, wenn die Maschine nicht laden will.

Belinda „Bee“ Brieschke: Unermüdlich an der Winsch beim Kite oder an der Genua, gleichzeitig Welle und Böen unüberhörbar ansagend, packt immer an.

Alexander „Alex“ Weidlich: Frischgebackener Mastmann, der schnell lernt. Die Reibung beim Segel-in-Segel-Setzen kann ihn nicht erschüttern, während er im 90 Grad Winkel am Fall hängt. Murrt nie.

Tobias aka „Tobi“ aka „Der Hofnarr“: Rackert alles auf dem Vorschiff was anliegt, und kann im Notfall jede andere Position ausfüllen. Immer mit guter Laune unterwegs, irgendwie ansteckend.

Momo „Momo“ Reese: immer ruhig und besonnen, aber mit Konzentration an Genua und Achterholer aktiv.

Magdalena „Maggy“ Ullfors: Bewegt sich katzengleich über das Deck, immer hellwach und überall da, wo angepackt werden muss. Unermüdlicher Einsatz und mit Spaß dabei.

 

Es ist Freitagmorgen, sechs Uhr dreißig. Der Wecker ist erbarmungslos, und zum ersten aber nicht zum letzten Mal stellt sich die Frage, warum man sich das eigentlich antut. Der Wetterfrosch saß ganz unten auf seiner Leiter und bat ob des Wetters darum, den Deckel auf dem Glas zu schließen. 
Kaffee in der Hand, die drei Bier von der Strategiebesprechung gestern Abend noch im Kopf, geht es mäßig gut gelaunt den Niedergang hinauf. Der erste Blick über Düsternbrook ist allerdings vielversprechend. Um die 13 Knoten Südost bestreichen das Wasser, es ist trocken. Während das Schiff erwacht, die restliche Crew, die wegen der Corona-Regelungen nicht an Bord schlafen durfte, eintrifft und die letzten Vorbereitungen getroffen werden, steigt die Laune. 
Aber zu früh gefreut. Um zehn vor acht geht der Wind aus. Mit Mühe drehen ein bis drei Knoten Wind das Anemometer im Masttop. Etwas zerknirscht melden wir uns mit dem Notebook beim Skippers-Meeting an. 
Die virtuelle Zusammenkunft war super. Gemütlich auf dem Boot sitzend, die Zubereitungsutensilien für jederzeit frischen Kaffee in Griffweite, kann man sich „muten“ und noch nebenbei die letzten Vorkehrungen treffen. Währenddessen erklären Ecki und Sven uns, dass wir im Uhrzeigersinn um Fyn fahren sollten und worauf wir sonst noch zu achten hätten. 
Hier kommt der erste Schreck. Wir fahren ORC II, zusammen mit Booten wie Ginkgo (H 39), Red (Class 40), gegen Farr 40’s und Farr 42’s etc – wie sollen wir das denn mit unserer zwölf-Tonnen-Dame machen? Vom Rating wären uns Zukunft, Intermezzo und X-Day näher, die in ORC I fahren. Naja, lässt sich nix machen. 
Eine gute Stunde vor dem Start legen wir ab und checken ein. Alle Mann mit Rettungswesten an Deck aufgereiht passieren wir das „Ecki-Gate“, ein „Vorher-Foto“ hält für die Nachwelt fest, wer sich da auf Reise begibt. Mit dem „Nachher-Foto“ können wir die Menge der neu gewonnenen blauen Flecke ganz gut auszählen. Ein paar Zuschauer genießen trotz des einsetzenden Regens den Anblick der versammelten Yachten, die dort ihre Kreise ziehen und eintrimmen. 
Unter Großsegel pingen wir die Startpeilung und -linie in den Computer und versuchen, uns für ein Vorsegel zu entscheiden. Das sollte sich als die Herausforderung für die gesamte weitere Regatta herausstellen… 
Die G III wird an Deck gehievt, auch die II liegt oben. Die II wird angebaut, und wieder abgebaut. Der Heavy Spi ist angebaut, aber letztlich entscheiden wir uns 10 Minuten vor dem Start für die G I heavy und lassen den Spi im Sack. Tobi und Alex danken Skipper und Focki herzlich für die Aufwärmübungen. Je schneller die Timer piepsen, desto näher sind wir an der Linie. Beim Startschuss fahren wir vollen Speed und sind laut unserer Software noch vier Meter hinter der Linie, dicht am Starthaus mit einem schönen Winkel für unser Vorsegel. Im Osten sammeln sich alle, die ihren Spi früh ziehen wollen, großes Gedränge. Wir sind frei und schnell, mit um die acht Knoten verlassen wir die Förde schneller als ursprünglich gedacht. 
Kurz hinter Laboe können auch wir unter den Crossover-Point abfallen und den Spi ziehen, bis hierher hat sich die Taktik gelohnt. Viele unserer Konkurrenten sind noch hinter uns. Der Wind wird böiger, die Welle ist komplett verwirrt. Arndt und Skipper sind auch noch nicht ganz ausgeschlafen, das Boot beschwert sich am Ruder etwas über die Behandlung. Eine letzte Böe spitzt den Wind nochmal um zehn Grad an und wir schießen in die gerade durch die Regenwolken sichtbare Sonne. Flo ist an der Spischot und kennt das von der J/80 gut, und durchgesprochen hatten wir das in den Trainings auch, also schmeißt Ulrike den Kicker auf den Punkt los und wir drehen einfach wieder runter und fahren mit stehendem Spi weiter. 
Auf dem Stolpergrund steht die erste Halse an. Unsere wenigen Trainingstage auf dem Wasser in der Corona-Saison verbieten quasi die Schifte, und wir benötigen jetzt ohnehin den Heavy, also bereiten wir alles vor, bergen den Medium und setzen den Heavy auf dem neuen Bug. 
Vielleicht ganz gut so, wenig später passieren wir ein Boot der Startgruppe drei3, die ihren Mast oberhalb der zweiten Saling verloren hat. Über Funk versuchen wir zu klären, ob Unterstützung benötigt wird, aber dort ist alles im Griff, also fahren wir weiter. Augenscheinlich hat noch ein weiteres Boot irgendwo den Mast verloren, das wird über Funk aber nicht ganz klar. 
Nach etwas über drei Stunden haben wir schon Kalkgrund querab, der SSW schiebt uns mit bis zu 10,5 Knoten zügig in den kleinen Belt. Bee ruft unermüdlich Welle um Welle aus, während die Spiwinsch um Gnade kreischt. 
Gen 17:00 Uhr liegen wir südlich vor Arö. Alle anderen Boote entscheiden sich für eine Passage im Osten, aber wir versuchen unser Glück bei dem beginnenden rückdrehenden Wind im Arösund. Sekunden nach der Entscheidung dreht der Wind weiter auf WSW, der Spi wird durch eine Genua ersetzt. Mit immer noch neun Knoten fahren wir in den Sund. Doch der Wind lässt nach. Wir wechseln in kurzer Folge Vorsegel; Vorschiff und Mastmann machen Überstunden. Es sollten aber nur die ersten von gefühlt über 30 Segelwechseln bleiben. 
Hinter Brandsö macht sich das alles bezahlt. Überall im Osten sehen wir weiße Segel, während wir die anderen Yachten mit den KYC- Farben aus Nylon grüßen. Mitstrom vor Middelfart macht es schwer, den Winkel für die Schifte einzuschätzen. Zwei Schweinswale beobachten interessiert, was die ganzen Boote da so machen und lauschen den Echoloten.
Mittlerweile weht der Wind aus West, aber nur noch mit unter zehn Knoten. Über 15 Grad werden wir durch den Strom nach der Halse versetzt. Die Segelanweisungen sehen vor, links des westlichsten Brückenpfeilers zu passieren, was wir denn auch kurz nach acht Uhr mit 2.2 Knoten Schiebestrom erledigen. Zum Glück mussten wir nicht dagegen ankreuzen, das wäre bei der engen Lücke spektakulär geworden. 
Der Spi darf sich nochmal kurz ausruhen, für Strib Odde ist es etwas zu hoch. Bei schönstem Abendhimmel geht er wieder hoch, nur um knapp fünf Minuten später den Houdini zu machen und einfach wieder runter zu kommen, aus irgendeinem Grund ist das Spifall aufgegangen. Das schnelle Anluven auf Halbwindkurs und das beherzte Anziehen der Spischot erlauben uns, ihn seitlich und, auf seinem Luftkissen schwebend, trocken wieder ins Boot zu ziehen. Während er direkt auf der Kante gepackt wird, katapultieren Alex, Tobi und Bernd „Focki“ in den Mast. Der holt das Fall zurück und tauscht seine luftige Aussicht gleich darauf wieder mit dem Spi. 
Gen halb elf Uhr nachts passieren wir Aebelo. Der Spinnaker zeichnet sich als dunkler Schatten vor dem leuchtenden Sternenhimmel ab, vom Mond ist fast nichts zu sehen. Wir ziehen eine fantastische Spur aus Meeresleuchten hinter uns her, während Sternschnuppen am Himmel verglühen. Die magische Nacht lullt uns etwas ein; eine leicht verspätete Schifte, gemeinsam mit einem instabilen, ständig wechselnden neuen Wind aus 205° bis 235° zwingt uns zu einem hohen, aber schnellen Spigang nach Horseklint. Bis 55° scheinbarer Windwinkel steht gelegentlich auf den Anzeigen – außer uns fährt ansonsten doch nur Chuck Norris den Spi auch am Wind? Ganz halten können wir unseren Kurs nicht, aber wir genießen die letzten Momente unter Spi vor der langen Kreuz, die uns bis nach Kiel bevorstehen sollte. Kurz dem Lillegrund wechseln wir auf die Genua und spitzen an. 
Der Weg nach Romsö, wo wir ein Gate passieren müssen, ist lang, die Taktikoptionen durch den Zwang auf die Westseite sind limitiert, schade. Der Wind kommt jetzt mit trägen fünf bis acht Knoten aus SSW, über 90 Minuten brauchen wir für die acht Meilen. Weiter zur Insel Sprogö, an der wir östlich vorbei durch die Brücke müssen, fühlen wir den ersten nordwärts setzenden Strom. Wir setzen den ersten Schlag in Richtung Knudshoved, um ihm zu entgehen, aber mit nur mäßigem Erfolg. Die zehn Meilen bis zur Nordspitze Langelands sind zeitraubend und anstrengend. 
Mit immer mehr direkt aus der Richtung unserer Kurslinie wehendem und zunehmendem Wind vertreibt die Afterguard der Vorschiffstruppe die Zeit mit der Übung, nacheinander verschiedene Vorsegel auf das Vorschiff zu tragen, sie teilweise anzuschlagen und dann wieder in den Sack zu packen, um ein anderes Vorsegel bereit zu legen. Letztlich wird es die G III, die bis nach Kiel stehen bleiben soll. 
Am nördlichsten Zipfel Langelands eruieren wir unsere Taktik-Optionen, in dem wir unseren Schlag mutig nach Osten durch den Tiefwasserweg fortsetzen. Der starke Strom von knapp zwei Knoten macht schnell einen Haken daran, wir wenden zurück in flaches Wasser. Mit kurzen Schlägen sticken wir ein schönes Muster an Langelands Ostküste. Momo, Maggy, Flo und Belinda sind im Wechsel dabei, uns schnell zu halten. Trotz der Müdigkeit werden die Wenden von Mal zu Mal schneller. 
Hier können wir endlich ein paar der Boote, deren Verwirbelungen in Lee für uns nicht zu knacken waren, ausmanövrieren. An höhere Winkel ist bei der Versammlung von X-Yachten (XP 38, X 41 etc) nicht zu denken, aber die Match-Race short tacks, die in immer mehr Routine funktionieren, bringen uns unter der Küste endlich nach vorn. Kurz vor halb elf passieren wir das Gate in Spodsbjerg, unser Trackmuster heftet die Fünf-Meter-Linie mit einer schönen Segelmachernaht an Langeland an. 
Nachdem wir zu diesem Zeitpunkt schon eine gute halbe Stunde mit „F…Ups“ wie dem aufgehenden Spifall auf dem Kurs liegen lassen hatten brach nun zu guter Letzt noch der Mantel des Genuafalls – was uns bis ins Ziel nochmal einige Minuten kosten sollte. An der Südspitze Langelands ist der neue Kurs 225° - der Wind dreht pflichtbewusst auf selbige Gradzahl, um uns eine weitere lange Kreuz nach Hause zu bescheren. In der Hoffnung auf einen späteren Dreher auf West am Nachmittag setzen wir unseren ersten Schlag nach Westen. Stardust und Piranha, deren Vorsprung von bis zu knapp 5 Meilen wir unter Langeland angeknabbert hatten, waren jetzt im Fadenkreuz des Bugkorbs in Sichtweite. Fast gemeinsam wenden wir alle knapp 17 Meilen nordöstlich des Leuchtturms. Harte Welle wäscht das Deck und die Crew auf der Kante. Der erhoffte Dreher kommt deutlich schwächer als erwartet, so dass wir eine Meile links vom Leuchtturm ankommen. Der letzte Schlag nach Westen kann treffend als solcher bezeichnet werden. Im Sekundentakt setzten wir hart in die Welle, die 1,2 Meilen waren wohl die längsten der Regatta. 
Böen bis zu 30 Knoten und Verkehr im Kieler Fahrwasser erlauben uns mit geschickter Planung, nochmal einige Meter auf Stardust und Piranha aufzuschließen. Mit dicker Salzkruste auf dem Deck und Ölzeug erreichen wir Friedrichsort, als ein gigantischer Schauer auf uns hereinbricht. Eingebettet in Schichtbewölkung ist uns die Gewitterwolke entgangen. Die dicken Tropfen und kalte Fallwinde von knapp unter 40 Knoten prügeln die Gischt so hoch, dass der Bugkorb nicht mehr zu erkennen ist- geschweige denn die beiden Boote, die grüne Tonne oder der Leuchtturm knappe 100 Meter vor uns. Aus Sorge um Kollisionen mit der Stahltonne oder anderen Booten machen wir die Segel auf und fahren mit langsamster Steuerfahrt nur wenige Meter an der grünen Tonne vorbei. Zum Glück geht der Spuk schnell vorüber, wir setzen die Verfolgungsfahrt – nun ohne jedes Salz auf Segeln oder Klamotten - fort. Mit Matchrace-Taktiken kommen wir Piranha näher und näher. Für das letzte Crossing haben wir weder genug Vorsprung noch Geschwindigkeit, und parken mit offenen Segeln einige Meter vor der Ziellinie, um Piranha ihr Wegerecht zu lassen. Mit großer Sportlichkeit zeichnet sich die J/111 hier aus, als sie vor dem Ziel die Tür für uns öffnet und uns nicht zu einem 360° Kringel zwingt, um auch über die Linie zu kommen. Das Foto-Finish war dann eines der schönsten Bilder der Regatta – danke, Piranha! 
Mit dem sechsten Platz können wir abschließend sehr zufrieden sein. Die Anzahl der kleinen Fehler und Fehltritte, die wir hinter uns haben, hätten beim Nachrechnen vielleicht für das Treppchen gereicht, aber der Lerneffekt in der gesamten Crew ist um einen großen Faktor wertvoller. Das eigentliche Ziel, die Freude am Segeln zu mehren, haben wir in jedem Fall erreicht. Eine geschundene und sehr müde, aber glückliche Mannschaft läuft in den Heimathafen ein, wo kaltes Flens und Nudelsalat vom Sponsor BMW Autohaus May&Olde durch die Organisatoren gereicht wird. Zwei weitere Kisten warten zusammen mit Klaus und Catha aus der SG am Steg – ihr seid die Besten! So gerüstet lassen wir die Regatta Revue passieren. Nur wenige Stunden nach der Ankunft ist der Schmerz vergessen, die schönen Momente werden zu feinstem Seemannsgarn gesponnen und damit können wir endlich die immer wieder gestellte Frage beantworten, warum man sich das eigentlich antut.

Text: Stefan Kunstmann
Fotos: © Point of Sailing