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Ausbildung

Von Marineschiffen, Regenbogen über Riga und dem, was darüber hinaus ging

Neues von Taffi, diesmal aus Riga, dem Ende der zweiten Etappe der Ostsee-Rund-Reise der Yachtschule.

Aber wir wollen nicht vorgreifen, diese Etappe begann schließlich in Danzig, wo wir vor zwei Wochen Merle Rickers als neues Crewmitglied willkommen heißen durften. Ihr blieb nicht viel Zeit, sich einzugewöhnen. Mitsamt ihrem Gepäck, was auch noch unsere Schärenanker beinhaltete, wurde sie durch die Danziger Innenstadt geschleppt, dann schnell an Bord verfrachtet und schon hieß es: Leinen los! Schließlich lag die vielleicht längste und auch beunruhigendste Etappe der Reise vor uns. Auf der Strecke von Danzig nach Klaipeda galt es, die russische Enklave Kaliningrad und die russischen Gewässer davor, die auch noch allesamt militärische Übungsgebiete der russischen Marine sind, weiträumig zu umfahren. Das bedeutete etwa 180 Seemeilen Strecke.

Bei Sonnenuntergang ging es aus dem Danziger Hafen und endlich wieder unter Segeln in die Danziger Bucht mit einer schönen Brise, sommerlichen Temperaturen und halbem Wind. So war die Aussicht auf eine (oder vielmehr zwei) zu durchsegelnde Nächte gar nicht so schlecht. Schnell war der Wachplan eingeteilt und die ersten beiden verschwanden unter Deck. Doch die Idylle hielt nicht lange an: Ein wie ein Weihnachtsbaum leuchtendes Schiff war vor uns zu erkennen, genauere Lichterführung allerdings nicht, weil einfach alles hell war. Noch spannender wurde es, als das ursprünglich friedlich vor uns herfahrende Lichterfest anfing, sonderbare Bögen durch die Bucht zu schlagen. Das war der Zeitpunkt, an dem Laura erneut das Fernglas zückte und nun endlich eine klare Lichterführung erkennen konnte: Grün, Weiß, Rot, und dazu zwei riesige Bugwellen direkt auf uns zu. Im gleichen Moment fiel Sophia unten vor Schreck beinahe von der Back: aus dem Funkgerät tönte ein „Sailing Yacht Taffi, Taffi, Taffi“. Lautes Hupen von draußen untermalte die Situation. Zum Glück war der Marineoffizier, der zu der Stimme im Funkgerät gehörte, sehr freundlich und klärte uns auf, dass die polnische Marine gerade Testfahrten durchführten und es sehr hilfreich wäre, wenn wir uns auf gleichbleibendem Kurs schnell aus der Situation entfernen könnten. Nachdem wir in der letzten Woche ständig die nautischen Warnnachrichten gecheckt und teilweise riesige Umwege um militärische Übungsgebiete in Kauf genommen hatten, die überall vor der polnischen Küste liegen, hatte sich die Marine nun also ausgerechnet die vielbefahrene Danziger Bucht ausgesucht, um ihre Tests durchzuführen. Zum Glück blieb es bei der Begegnung mit der uns freundlich gesonnenen polnischen Marine und es ließen sich keine russischen Schiffe blicken. Nur an der Grenze zwischen Litauen und Russland waren wieder mehr Schiffe im Dunkeln zu erkennen, hinter denen wir die litauische Marine vermuteten. Und so erreichten wir wohlbehalten am Mittwoch Mittag Klaipeda. Dort lagen wir im netten Hafen im Burggraben einer alten Befestigungsanlage. Nach einem Bummel durch die Stadt verabschiedeten wir Jörn, der mit der DFDS-Fähre wieder zurück nach Kiel aufbrach.

Die kurische Nehrung wollten wir unbedingt genauer erkunden. Dafür tauschten wir das Boot gegen ein lange nicht gesehenes Verkehrsmittel ein und liehen uns Fahrräder aus. Durch Kiefernwälder und an Sanddünen vorbei, die dort teilweise bis zu 15 Meter hoch sind, ging es durch die tolle litauische Landschaft nach Juodkrante. In diesem kleinen Fischerdorf bestaunten wir hübsche Holzvillen, einen Hexenwald, und das Haff, was ruhig dalag und einen Kontrast zu der nur keinen Kilometer entfernten Ostsee bildete. Auf dem Rückweg war das Bad in der Ostsee eine sehr willkommene Abkühlung. Im quietschenden Sand war leider kein Bernstein zu finden. Abends setzten wir noch Holundersirup mit frisch gepflücktem Holunder an, um immer ein gutes Anlegegetränk parat zu haben.

Am nächsten Morgen ging es um acht durch die historische Klappbrücke, die per Hand vom Hafenmeister geöffnet wurde, nach Liepaja. Trotz gutem Wind war es fast ein bisschen zu heiß auf dem Wasser und so machten wir uns in Liepaja direkt auf den Weg zum Strand. Schon auf dem Weg dahin staunten wir über schöne Holzhäuser und Jugendstilbauten. Auf Bad und Picknick am Strand folgte ein ausgiebiger Stadtspaziergang durch den wirklich sehr hübschen Kurort. Dabei entdeckten wir auch ein ehemaliges Fabrikgelände, auf dem sich nette Restaurants und Bars angesiedelt hatten. Dort beendeten wir den Tag mit einem Einlaufaperol und Tanzen im Sommerregen.

Der Regen erwischte uns auch am nächsten Morgen genau in dem Moment, als wir in Sommersachen ablegten. Das volle Ölzeug begleitete uns dann die ganze Zeit bis Pavilosta, denn der Wind nahm nach und nach zu, bis wir vor Pavilosta Böen bis zu zwanzig Knoten und schon wieder eine ordentliche Welle hatten. Trotzdem meisterten wir das Großbergen zu dritt und freuten uns über den ruhigen Hafen. Wir wurden direkt nett auf Deutsch begrüßt und in eine Box geleitet. Nicht nur der Hafen, sondern auch der Ferienort war idyllisch. Da war es gar nicht schlimm, dass wir flautenbedingt einen Tag hier verweilen mussten. Und dieser Hafentag war mit ordentlich Programm gefüllt. Nach einem Morgenbad und ausführlichem Sonntagsfrühstück mit lettischem Schwarzbrot unternahmen wir einen Spaziergang durch den Wald und entlang der Steilküste. Als wir nach einem wieder dringend nötigen Bad am Strand entlangschlenderten, fand Merle doch tatsächlich den ersten kleinen Bernstein und kurz darauf konnten wir sogar alle drei einen Fund verzeichnen. Beim darauffolgenden Picknick am Fluss wurden Postkarten geschrieben, selbstgebackener Kuchen genossen und gelesen. Damit noch nicht genug: abends gab es selbstgebackene Pizza (funktioniert im Gasofen besser, als man denkt) und danach einen tollen Sonnenuntergang am Strand mit Abendliedern auf der Ukulele.

Der nächste Tag begann wieder mit einem Bad und dem Gang zur Post, bevor wir uns auf den Weg nach Ventspils machten. Der lange sommerliche Segeltag wurde mit SKS-Theorie gefüllt und der Spi wurde sogar zweimal gesetzt, sodass alle auch auf dem Vorschiff in Aktion waren. Glücklich und erschöpft ernüchterte uns in Ventspils der Anblick von einem vollkackten Steg voller Scherben und Schrauben jeglicher Art. Obwohl Ventspils wahrscheinlich mehr zu bieten gehabt hätte, entschieden wir uns das erste Mal gegen einen Landgang und für eine lange Dusche und dann für die Koje. Am nächsten Tag war nämlich viel Wind angesagt, der mittags sogar noch zunehmen sollte. Der Anblick der Wellen, die sich am nächsten Morgen schon in der Hafeneinfahrt auftürmten, war tatsächlich beeindruckend. Das Setzen des Großsegels und der Fock war tatsächlich ziemlich aufregend, aber sobald die Segel standen und der Kurs stand, lag »Taffi« super in den Wellen und der schnelle Ritt nach Montu begann. Im Sonnenschein genossen wir den richtig schönen Segeltag und die anschiebenden Wellen! Pünktlich mit dem auffrischenden Wind erreichten wir mittags Montu, unseren ersten estnischen Hafen. Der neu entstandene Yachthafen war hinter einer Mole versteckt und in unseren Karten und Hafenlotsen noch gar nicht verzeichnet und so legten wir zuerst an einer meterhohen Mauer neben den Fischern an. Die Suche nach einem Hafenmeister oder anderen menschlichen Wesen gestaltete sich zuerst schwierig, bis er schließlich mit dem Rasenmäher angerollt kam und eine mehr oder weniger elegante Bremsung neben Laura hinlegte. Seine Seufzer und wirren estnischen Ausrufe nahmen noch zu, als neben Sophia und Laura auch noch Merle das Büro betrat. Anscheinend hatten sich in diesem Jahr noch nicht allzu viele Segler in den Hafen verirrt. Nachdem der erste Schock verdaut war, half er uns aber beim Umlegen in das nigelnagelneue Hafenbecken, das wir vermutlich einweihten oder zumindest an diesem Abend ganz für uns alleine hatten. Die Erkundungstour an Land brachte zwar einen weiteren Bernstein und spannende Versteinerungen, aber außer einer Straße und einer Tankstelle gab es keine weiteren Zeichen von Zivilisation.

Am nächsten Tag ging es wieder zurück ans lettische Festland und in die Rigaer Bucht. Mit Roja und Engure folgten zwei nette, aufgeräumte Küstenorte, die uns noch einen interessanten Einblick in das lettische Landleben boten. Auf dem Weg nach Engure hieß es schon zum zweiten Mal auf dieser Reise „Seezaunpolster über Bord!“. Erfolgreich wurde es natürlich geborgen und ein weiteres Mal alle Schrauben an den Seezäunen geprüft. Um das Manöver zu vertiefen und für den SKS zu üben, wurden direkt noch mal ein paar Fender hinterhergeworfen. So sind wir auch für weitere Vorfälle dieser Art gewappnet. In Engure begeisterte uns besonders eine lokale Bäckerei mit köstlichen Zimtschnecken, frischer Räucherfisch und endlich wieder ein Riesenrad.

Auf dem Weg nach Riga sollte eigentlich unser letzter Zwischenstopp Jurmala sein. Dort war die private Betonnung, die uns in den Flusslauf führen sollte, allerdings sehr unklar und bestand nur aus kleinen roten Moorings. Der Hafenmeister war per Funk nicht zu erreichen und per Telefon nur auf lettisch, und daher entschieden wir uns mit Blick auf die rundherum niedrigen Wassertiefen dazu, weiter bis nach Riga zu segeln. So erreichten wir dann das Etappenziel einen Tag früher als geplant. Beim Einlaufen in den Hafen erstreckte sich ein Regenbogen über die schöne Skyline von Riga, sodass uns fast das Piratenschiff entging, was uns entgegenkam. Dass am Ende des Regenbogens ein Schatz versteckt ist, können wir jetzt nur bestätigen, nachdem wir die tolle Stadt ausgiebig erkunden konnten! Neben den typischen Sehenswürdigkeiten in der Altstadt und dem Jugendstilviertel schafften wir es, auch etwas von der lettischen Kultur und dem Leben in Riga mitzubekommen. Am Freitag schon tanzten wir lettischer Volkstänze auf einem Festival in der Stadt, am Samstag gab es frisches lettisches Brot vom Stadtteilmarkt. Nach dem Marktbesuch ließen wir uns treiben und entdeckten eine kleine Bar, die zu einem Museum gehörte, mit einer Ankündigung eines abendlichen Konzerts, was uns dazu brachte, abends nochmal dorthin zu gehen. Dort fielen wir eher aus der Reihe: von den ansonsten Anwesenden kannten wohl beinahe alle die Band persönlich. Mit leckerem lettischen Bier und richtig guter lettischer Musik verbrachten wir einen tollen Abend. Irgendwann fielen wir wohl so auf, dass der Leadsänger anfing, seine Ansagen auch auf Englisch zu machen.

Am Sonntag schliefen wir erst aus und machten, wie es sich für das Ende einer Etappe gehört, danach einmal ordentlich Klarschiff, damit die neue Crew ein aufgeräumtes Boot erwartete. Am Sonntagnachmittag holten wir Rosa Gubitz, eine Freundin von Merle, vom Bus ab und damit begann eine neue Etappe. Was wir auf dem nächsten Schlag erleben, wird’s hier bald zu lesen geben.

Bericht: Merle Sophie Rickers, Laura Groninger, Sophia Groninger

Fotos: Merle Sophie Rickers