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Abenteuer Rund Skagen

Die »Kuh« hat mal wieder ihre Zuverlässigkeit bewiesen und die Crew der Yachtschule unter Martin Lutz sicher nach Helgoland und von Helgoland rund Skagen nach Schilksee gebracht. Paula Schälke berichtet von tollen Regatten im Rahmen der Nordseewoche:

Als wir am Donnerstag, 02. Juni 2022, in Düsternbrook die Leinen der »Zukunft IV« losschmissen, konnten wir selber gar nicht so richtig glauben, dass es nun tatsächlich losgehen würde. Nach unzähligen Crewausfällen standen wir sogar knapp zwei Wochen vor Reisebeginn kurzzeitig ohne Skipper da – bis Martin Lutz uns spontan zusagte.

Mit am Bord waren nun für die Nordseewoche:
Martin Lutz als unser Skipper, Sophia Groninger und Paula Schälke als Wachführerinnen, Lara-Marie Völmicke, Anjola Ernst, Victoria Schulz-Douglas, Malte Ritgen, Cedric Bertow, Tobias Beckmann, Adele Horstmann und Moritz Pich.

In den Tagen vor der Abreise wurde die »Kuh« für die Nordsee im Eiltempo fit gemacht und auch zwei Trainingseinheiten bekamen wir zustande. Am Donnerstagabend ging es dann durch den Kanal bis Rendsburg. Die Fahrt nutzten wir für einen verspäteten Frühjahrsputz und belohnten uns dafür am Abend mit Pizza.

Am Freitag klingelte um 06:30 Uhr der Wecker – bis Cuxhaven hatten wir noch einige Meilen vor uns. In Brunsbüttel angekommen, konnten wir sogar noch die Segel setzten und nahmen unter herrlichen Bedingungen Kurs auf Cuxhaven. Allerdings erwischten wir in der Elbe Gegenstrom, sodass wir erst 45 Minuten vor dem Start der abendlichen Zubringerregatta „Sundowner“ in Cuxhaven anlandeten. Dort wurden Dieseltank und Wassertank noch einmal aufgefüllt und Sophia stieg endlich an Bord.

Ein wenig zu hektisch ging es dann zur Startlinie – nachdem wir uns den ganzen Tag Sorgen gemacht hatten, ob wir spät kommen würden, schafften wir es tatsächlich, ein paar Sekunden zu früh über die Linie zu fahren. So mussten wir uns leider noch einmal bereinigen und nahmen uns der Aufholjagd an. Doch das tat der guten Stimmung keinen Abbruch, denn wir wurden mit Nudeln und einem wunderschönen Sonnenuntergang auf der Kante versorgt. Nach ein paar Kreuzschlägen aus der Elbe hinaus konnten wir bei ca. 15 Knoten Wind die Segel auf Halbwindkurs einstellen und gen Helgoland reachen. Gegen 22:30 näherten wir uns der Insel an und lieferten uns mit vielen anderen Schiffen eine spannende Zielkreuz. In der Dämmerung bargen wir schnell die Segel und legten uns in Helgoland-Manier als nur achtes Schiff ins Päckchen.  Im Veranstaltungszelt direkt am Hafen genossen wir ein erstes Anlegerbier mit Currywurst. Doch nach diesem ereignisreichen Tag verschlug es uns alle schnell in unsere Kojen.

Am Samstag, 04. Juni 2022 standen dann die „Hummer Races“, drei Up&Down-Rennen vor Helgoland an. Der unbeständige Wind ließ uns schon vor dem ersten Start, sehr zur Freude der Vorschiffs-Crew, drei Mal von der Genua 1 auf die Genua 3 wechseln. An diesem Tag bekamen wir sehr zu spüren, dass die vollständige Crew erst wenige Tage vor Abreise festgestanden hatte, so dass uns maßgebliche Trainingsstunden fehlten. Wir nutzen also den Tag, um die Manöver immer sicherer zu fahren und Abläufe, Zuständigkeiten und Absprachen zu optimieren. Denn Ziel der Wettfahrten vor Helgoland war es, an Sicherheit und Routinen für Rund Skagen zu gewinnen.
Am Ende des Tages waren wir mit unserer Performance im letzten Rennen richtig zufrieden.

Am Abend fand die Siegerehrung in der berüchtigten Nordseehalle statt. Für uns alle war es ein absolutes Highlight nach zwei Jahren Corona so viele Gesichter aus dem Kieler Yacht-Club und aus der Regatta-Szene wiedersehen zu können.

Am Sonntag stand dann der „Capitell Cup Rund Helgoland“ auf dem Programm. An diesem Tag lief endlich alles rund! Unsere Spinnaker-Manöver funktionierten nun endlich nahezu reibungslos, wir konnten auf den langen Am-Wind-Schlägen gut mithalten und trafen die richtigen taktischen Entscheidungen. Am Ende des Tages stand dann tatsächlich ein dritter Platz in unserer Gruppe auf der Ergebnisliste! Nachdem wir schon am frühen Nachmittag im Hafen waren, konnten wir uns alle ein wenig erholen, kochten gemeinsam und spielten Karten. Am Abend stand dann die Siegerehrung in der Nordseehalle auf dem Programm.

Zu unserer Überraschung durften wir nicht nur den Preis für unseren dritten Platz entgegennehmen, sondern wurden zudem als bestes Vereinsschiff mit einem Wanderpokal geehrt. Dies war für uns natürlich ein Grund zu feiern! Wir genossen gemeinsam den Abend auf der Tanzfläche und fanden einen tollen Abschluss für die Nordseewoche.

Am nächsten Morgen, Montag, den 6. Juni, schliefen wir aus und tankten Kraft für Skagen Rund. Nach dem Frühstück verteilten wir die letzten Aufgaben: Wasser wurde gebunkert, die Segel im Vorschiff sortiert und die Bilge wurde gecheckt. Bevor Anjola, Victoria, Tobias und Cedric uns per Fähre verließen, erledigten sie die letzten Einkäufe für uns und kochten uns ein super leckeres Curry für die Nacht vor. Außerdem durften wir Max Kleinsorg, Johannes Muschkeit und Linus Borm an Bord begrüßen. Mit Moritz und Johannes hatten wir nun zwei Mitglieder aus der SKWB an Bord – wie schön, dass wir im Rahmen der Nordseewoche diese Vereinsfreundschaft aufleben lassen konnten! Zudem stellten wir die finalen Wachen zusammen. Wir entschieden uns für drei Wachen: Martin, Adele, Linus und Johannes; Sophia, Max und Malte; Paula, Lara und Moritz. Es waren jeweils nachts drei Stunden und tagsüber vier Stunden Wache, dann drei bzw. vier Stunden Stand-By-Wache und drei bzw. vier Stunden Freiwache geplant.

Mittlerweile war es stürmisch auf Helgoland geworden, einige Crews entschieden sich aufgrund der Wetterlage sogar gegen die Teilnahme. Auch wir diskutierten dies kurz, doch nachdem die Baltic 52 für genau solche Bedingungen gebaut ist und Martin volles Vertrauen in unsere Crew hatte, waren unsere Bedenken schnell ausgeräumt.

Nach einem letzten Security-Check - Crew mit Schwimmweste und Life-Belt an Deck bei angeschlagenem Sturmsegel  - machten wir uns gegen 16 Uhr auf zur Startlinie. Nach einem eher defensiven Start konnten wir bald in einer kurzen Leichtwindphase den Spinnaker setzen und die erste Freiwache verschwand unter Deck. Leider übersahen wir eine zu rundende Tonne und mussten einen kurzen Umweg in Kauf nehmen. Mit der Dunkelheit kam auch der Wind wieder und unter Spinnaker rauschten wir an den Windparks vorbei gen Skagen. Gegen 2:30 Uhr legte der Wind noch einmal zu, wir hatten nun konstant 20 Knoten und mehr auf der Anzeige stehen. Dennoch entschieden wir uns eine Halse zu fahren – leider erwischte uns in diesem Moment die stärkste Böe der Nacht mit 27 Knoten Wind und die Nähte des Spinnakers gaben nach. Nachdem wir die übrig gebliebenen Fetzen geborgen hatten, entschieden wir uns die nächsten Stunden im Dunkeln ohne Spinnaker und nur unter Großsegel im Safety-Modus weiterzufahren. Denn neben dem kaputten Segel hatten wir auch einige Seekrankheits-Fälle zu verzeichnen. Nach wenigen Stunden hatte der Wind so weit gedreht, dass wir unter der Genua 3 weitersegeln konnten.

Nun rückte Skagen und vor allem die Jammerbucht immer näher. Martin und Sophia navigierten uns sicher durch das instabile Wettersystem, welches uns leichte Winde und strömenden Regen bescherte. In den frühen Morgenstunden des Mittwochs, 8. Juni, passierten wir endlich Skagen. Wir entschieden uns aufgrund der Strömungs- und Wettervorhersagen Laesö entgegen des Trends im Osten zu passieren. Am Nachmittag segelten wir bei 15 Knoten Wind und Sonne lange an Anholt vorbei und wurden bei den Erinnerungen an die vielen Sommertage auf dieser Insel ein wenig wehmütig.

Zum Abend hin klarte der Himmel immer weiter auf, der Wind flaute ab und wir konnten zum ersten Mal die Luken öffnen und das Schiff ein wenig durchtrocknen lassen. Der viele Regen der ersten Tage hatte schon die eine oder andere Schwimmweste zum Aufpusten gebracht. Bei einigen Segelwechseln unter Leichtwind hangelten wir uns an Samsoe entlang durch den großen Belt. Im Morgengrauen des Donnerstags brach der Wind sogar kurz ganz ein, sodass die Kuh in einer Wende schon fast rückwärts treiben zu drohte. Nach Wachwechsel unter der Großen-Belt-Brücke wagten wir den Schlag rüber nach Langeland, um dem Strom im Großen Belt aus dem Weg zu segeln. Unter Langeland segelten wir auf der Acht-Meter-Wassertiefe-Linie und lieferten uns ein spannendes Leichtwind-Match mit der »Walross 4« des ASV Berlin.

Schon bald kam die Landspitze Langelands in Sicht und wir nahmen gegen 16 Uhr Kurs auf Kiel Leuchtturm. Mittlerweile war die ganze Crew an Deck, Martin sagte uns noch die letzten taktischen Wenden an und legte sich gefühlt das erste Mal auf dieser Langstrecke für die letzten Stunden in die Koje.

Gegen zwanzig Uhr erreichten wir endlich die Strander Bucht und ließen uns von den typischen West-Wind-Böen ins Ziel pusten. Um 20:42:11 Uhr kreuzten wir die Ziellinie! Nach drei Tagen, vier Stunden, zwei Minuten und elf Sekunden konnten wir endlich aufatmen – es war geschafft! Wir erreichten einen fünften Platz.

Schnell verholten wir uns an den Treidelsteg in Schilksee und wurden gebührend mit Stegbier begrüßt. Wir alle freuten uns tierisch auf eine heiße Dusche und länger als drei Stunden Schlaf am Stück.

Im Rückblick war es eine tolle Erfahrung, die uns alle unglaublich gefordert und gefördert hat. Sophia und Lara haben viel Zeit in die Organisation dieses Events gesteckt und waren nicht nur einmal kurz davor, die Regatta abzusagen. Im Ziel in Schilksee konnten die beiden kaum glauben, dass es tatsächlich geschafft ist. Dies haben wir vor allem Martin zu verdanken, der so spontan eingesprungen ist und trotz aller Baustellen und krankheitsbedingen Crewausfällen sich der Aufgabe mit uns angenommen hat. Wir alle durften von ihm viel über Navigation und Langstreckensegeln lernen.

Wir sind unglaublich stolz, dass wir den Kieler Yacht-Club mit der Kieler Yachtschule auf der 100. Nordseewoche vertreten konnten und sogar zwei Preise mit nach Hause bringen durften. Außerdem wurden wir nicht nur einmal auf unsere vielen weiblichen Crewmitglieder angesprochen. Dass wir eine so durchmixte Gruppe sind, ist ein wichtiges Aushängeschild der Kieler Yachtschule!


Unser Dank gilt unseren Sponsoren und Förderern, ohne die es nicht möglich gewesen wäre, diese einzigartige Erfahrung machen zu dürfen.

Nun steht als nächstes der Midsommar-Sail an. Die Teilnehmenden freuen sich schon sehr auf dieses Event und auch von diesem Törn bald berichten zu können.

Text: Paula Schälke, Fotos: Hinrich Franck/Nordseewoche, ASV Berlin, Crew