Die Bucht von Marseille zeigte sich launisch, als das Warten für Paul Kohlhoff und Alica Stuhlemmer ein Ende hatte. In stark wechselndem Winddruck von Löchern mit null Knoten bis zu Druckböen von 20 und mehr Knoten, war schon das Bändigen der Boote eine komplexe Aufgabe an diesem Tag, 8 Tage nach der Eröffnung der Spiele. Für die Olympia-Dritten markierte der 3. August, den Beginn ihrer Nacra-17-Serie.
„Der Auftakt war holprig“, berichtete Vorschoterin Alica Stuhlemmer am Abend im Olympia-Hafen Marseille. Paul Kohlhoff sagte: „Wir hatten direkt eine enge Situation mit den Schweden, haben gekringelt und waren oben trotzdem wieder in den Top-Ten. Die Gruppe vor uns war sehr eng zusammen. Ich dachte „Vollgas!“ und habe etwas zu viel Risiko genommen. Wir sind dann gekentert. Es war erst ein Windloch, dann eine Böe mit über 20 Knoten. Dabei ist der Pinnenausleger abgebrochen. Wir sind dann noch 18. geworden.“ Zu den schwierigen Windverhältnissen, so Kohlhoff, sei noch eine „chaotische Welle“ gekommen, „großer Atlantik-Swell mit langen, großen und hohen Wellen, dann noch mit Chop obendrauf“. Diese Wellen kämen „aus allen Richtungen und in allen verschiedenen Typen“, beschrieb der erfahrene Foiling-Steuermann das turbulente Szenario. Kohlhoff sagte: „Das Boot fliegt auch nicht bei jeder Welle noch stabil. Man kämpft die ganze Zeit mit dem Boot.“
Am folgenden Tag fanden Paul und Alica sich zunehmend besser zurecht im fordernden Olympia-Revier. Obwohl die Winde für die Nacra-17-Flotte über weite Strecken mit um die 13 Knoten überschaubar blieben, sorgten erneut Schwell und diffuse Wellenbewegungen für Rodeo-Szenen auf dem olympischen Katamaran-Kurs. Die Crew vom Kieler Yacht-Club meisterte die Bedingungen bestens, steigerte sich mit den Rängen 6, 3 und 2 im Verlauf des Nachmittags stark und lag am Sonntagabend auf Platz vier in Tuchfühlung zu den Top-Drei.
Steuermann Paul Kohlhoff erklärte anschließend: „Wir hatten nach dem gestrigen Tag ein bisschen was gut zu machen, und das ist uns heute meistens ganz gut gelungen. Wir haben immer noch einiges verschenkt, ein paar wenige Punkte liegenlassen, aber es hätte trotzdem deutlich schlechter gehen können. Jetzt sind wir ganz glücklich, dass wir wieder näher vorne dran sind als gestern noch.“
Im Klassement vorarbeiten in Richtung Medaillenrang war der klare Plan für den dritten Regattatag. Der Wind blies kaum. Dennoch kämpften sich Paul und Alica in aufsteigender Ergebniskurve über den Kurs, erkämpften sich die Ränge 13, 8 und 5 und lagen nach neun von zwölf Wettfahrten auf Platz 6. Für die größte und eine der schwereren Crews in der Nacra-17-Flotte fehlten bei nur viereinhalb bis sechs Knoten Wind über weite Strecken zwei, drei Knoten zum Foilen und zum Angreifen.
Den zweiten Tag in Folge gab es dann am letzten Tag der Hauptrunde nur drei bis sechs Knoten Wind für die Nacra-17-Flotte, die sich naturgemäß insgesamt mit dem Foilen schwertat. Paul und Alica kamen bei der erneut extremen Leichtwind-Herausforderung auf die Ränge 14, 17 und 10. Sie hatten auf Kurs Olympia Vieles unternommen, um die bekannte Leistungslücke nach unten zu schließen. Ganz war es nicht gelungen. Auf Platz 8 nach zwölf Wettfahrten zogen die Olympia-Dritten von Enoshima ins Medaillenrennen der besten zehn ein.
Steuermann Paul Kohlhoff sagte: „Die Platzierung ist für mich keine Überraschung. Deswegen kann ich damit leben.“ Selbstkritisch warf der vor drei Jahren noch mit seiner Vorschoterin Alica Stuhlemmer über die olympische Bronzemedaille jubelnde Kieler einen Blick zurück auf die Olympia-Vorbereitung seines Teams und sagte: „Im Nachhinein finde ich, dass wir uns schlecht auf dieses Revier vorbereitet haben. Wir hatten ehrlicherweise nie so wenig Wind wie jetzt, als wir hier waren. Ein weiterer Punkt ist, dass man oft erst rausfährt, wenn Wind ist. An so einem Tag wie heute wären wir vermutlich erst rausgefahren, wenn mal ein paar Minuten sieben, acht Knoten sind. Für dieses Revier – das haben wir jetzt hier in dieser Woche real erlebt – hätten wir noch mehr die Extreme trainieren müssen.“
Das Medaillenrennen – wurde verschoben. Mangels Wind. Warten! Einen Tag später war es dann soweit: „Wir freuen uns einfach aufs Medaillenrennen. Hauptsache mit Wind! Ich habe heute das Medaillenrennen der Ilca 7 gesehen und liebe das! Ich habe mir so viele olympische Medaillenrennen angesehen. Man ist dann hier bei historischen Momenten dabei, ein echt schönes Gefühl“, sagte Paul Kohlhoff.
Nein, auch hier hatte die launische Bucht nicht mehr als eine Brise in Petto. Im leichtwindingen Katamaran-Finale segelten Paul und Alica auf Rang fünf.
Steuermann Paul Kohlhoff zog an Tag zwölf der Olympia-Regatta eine kurze Bilanz: „Das Team, der Verband und alle drumherum haben auf dem Weg hierher einen extrem guten Job gemacht. Die haben sich nicht viel vorzuwerfen. Wir als Nacra-Team haben mit so wenig Wind wie bei dieser Olympia-Woche einfach nicht gerechnet. Das hat unsere schon verkleinerte, aber vorhandene und bekannte Achillesferse getroffen.“
Nächstes Ziel Los Angeles? „In Richtung LA halten wir uns noch zurück mit Aussagen, es sind noch keine Entscheidungen getroffen“, sagte Kohlhoff im KN-Interview. „Wir wollen das jetzt hier erstmal vernünftig zu Ende bringen, uns dann eine Auszeit nehmen und ganz in Ruhe überlegen, wie es weitergeht.“
Der dritte Anlauf zum olympischen Edelmetall für den 2020er-Weltmeister
Ilca-7-Steuermann Philipp Buhl eröffnete seine dritte Olympia-Teilnahme am 1. August mit Rang sieben gut, bevor er sich mit einer Kollision und zwei Strafkringeln aus dem Takt brachte und erst als 30. ins Ziel kam. Als 18. beendete er den ersten Renntag. Der 34-Jährige sagte: „Ich nehme ein gutes Rennen, eine gute Einstellung und ein bisschen Ärger über die selbstverschuldete Kollision mit in den zweiten Tag. Ich werde diese Serie Rennen für Rennen und Tag für Tag angehen, vor allem nach vorne und nicht zurückschauen.“
Im größten olympischen Feld der Ilca-7-Segler sah KYC-Mitglied Philipp Buhl, der für den Segelclub Alpsee-Immenstadt/Norddeutscher Regatta Verein startet, am zweiten Renntag das Feld einmal von vorne und einmal von hinten. Nach starkem Rang drei in der dritten Wettfahrt war der Ilca-7-Steuermann zunächst auf Platz drei im Klassement vorgerückt. Ein nicht gut gelungener Start in Wettfahrt vier und weniger Fortune auf dem Kurs, ließen den Weltmeister von 2020 als 28. ins Ziel kommen. Damit lag Philipp Buhl nach zwei Tagen auf Platz 15. „So ein falsch kalkulierter Start wie heute tut mir natürlich ein bisschen weh, aber in den Punkten liegt das Feld noch recht dicht zusammen. Ich blicke nach vorne und freue mich, wenn wir vielleicht morgen etwas mehr Wind haben. Morgen ist vielleicht der Tag, an dem man nach und nach ein paar Punkte aufholen kann“, erklärte Buhl.
Mit den launischen Bedingungen in der Bucht von Marseille am 3. August hatte auch Ilca-7-Steuermann Philipp Buhl zu tun. Der 34-jährige Allgäuer fiel mit den Rängen 26 und 11 auf Platz 14 zurück. Nach seiner Rückkehr in den Hafen sagte Philipp Buhl: „Es tut schon weh, wenn es in den Bedingungen, auf die man sich eigentlich freut, die man besonders gut kann, irgendwann gar nicht mehr läuft.“ Vier weitere Rennen blieben Buhl im dritten Olympia-Anlauf nun nach Plan, um wieder möglichst weit vorzurücken.
Die tiefsten Tiefen und sein bestes Rennen dieser olympischen Serie erlebte Philipp Buhl am folgenden Tag. Der 34-jährige musste im ersten Rennen des Tages eine Frühstart-Disqualifikation hinnehmen. Während viele Frühstarter ungesehen durchkamen, zählte der deutsche Ilca-7-Steuermann zu jenen neun Akteuren, die von der Wettfahrtleitung notiert wurden.
Dem bitteren Rückschlag ließ der Kämpfer einen formidablen Rennsieg folgen. Es war sein erster und der dritte insgesamt für die deutsche Segelnationalmannschaft.
Dennoch beendete Philipp Buhl den vierten Regattatag der Ilca-Flotten im Tief. Denn der 34-Jährige wusste, dass mit diesem Tag seine Medaillenhoffnungen geplatzt waren. Auch im dritten Anlauf im Kampf um seine erste Olympia-Medaille nach eigener Ansicht geschlagen, sagte der Dauer-Dynamo und Aktivensprecher der Segelnationalmannschaft: „Das tut sehr, sehr weh.“
Philipp Buhl lag nach acht von zehn Rennen bis zum Medaillenfinale mit 106 Punkten auf Platz 13. Zu Platz zehn und damit zum Sprung ins Medal Race fehlten ihm zu diesem Zeitpunkt sieben Punkte. Sein Minimalziel Medaillenrennen wollte er zu Wochenbeginn erreichen: „Ein Top-Ten-Ergebnis ist immer noch möglich.“
Der Montag brachte für Philipp Buhl kein Glück. Flaute! Damit bekam er keine Chance mehr auf den erhofften Sprung in die Top-Ten, die Qualifikation fürs Medaillenrennen und dem damit verknüpften versöhnlicheren Olympia-Abschluss in Marseille. Die beiden letzten Hauptrundenrennen der Ilca-7-Flotte wurden in zu flauen Winden erst gar nicht ausgetragen. Damit musste sich Philipp Buhl als Dreizehnter von seinem dritten Olympia-Einsatz verabschieden musste. „Ich bin sehr enttäuscht. Das wird mich noch eine ganze Weile beschäftigen“, sagte der 34-jährige Weltmeister von 2020. Über die Fortsetzung seiner Leistungssportkarriere hat er noch nicht entschieden.
„Los Angeles ist wieder ganz anders.“
„Die Wetterbedingungen waren hier besonders, aber natürlich auch für alle gleich“, sagte Nadine Stegenwalner. „Das nächste Olympiarevier 2028 in Los Angeles ist wieder ganz anders. Es werden andere Rahmenbedingungen sein, es ist eine andere Zeitzone. Die Trainingsmöglichkeiten werden in Übersee andere sein, alleine von der Anreise her. Dementsprechend muss man – egal, wie gut man abgeschnitten hat – immer prüfen: Was kann man aus diesem Zyklus lernen? Was lief gut und was muss man anpassen“, so die DSV-Sportdirektorin weiter.
CW