Eine frühere Stegnachbarin hatte mir von der Idee erzählt, man müsse sich im November den Start des Vendée Globe 2024 an der französischen Atlantikküste ansehen. Die fände schließlich nur alle vier Jahre statt und eigentlich wollte man sich das doch schon immer mal vornehmen. Sie hat das schließlich für sich nicht realisieren können, ich aber war von der Idee angefixt. So flog ich über Paris nach Nantes, holte meinen vorbestellten Mietwagen ab und fuhr nach Les Sables d‘Olonne, dem Austragungsort des Vendée Globe. Dort hatte ich ein kleines Häuschen gemietet
Der Ort ist eigentlich recht klein, rd. 50.000 Einwohner, während der Tage vor dem Start der Regatta strömen aber rd. 300.000 Segelbegeisterte in die Stadt, um die Boote zu besichtigen und bei der Auslaufparade die Skipper zu verabschieden. Der Sportboothafen ist zu einem Seglerdorf eingezäunt, das man nur an einem im Internet vorgebuchten Zeitpunkt bzw. „time slot“ betreten kann. Im Seglerdorf gibt es viele Ausstellungen und Attraktionen. So kann unter anderem ein älterer Racer des Typs „Imoca 60“ von innen besichtigt werden. Die eigentliche Attraktion sind aber natürlich die 40 teilnehmenden Boote, die von einer großen Ponton-Anlage aus besichtigt werden können. Es gibt lange Menschenschlangen, um auf den Ponton zu kommen. Die Stimmung ist ausgesprochen friedlich und erwartungsvoll.
Die aufgereihten Boote sind in den Abmessungen fast gleich, weil die Regeln der Imoca 60-Klasse gelten:
Bootslänge: 18,28 m
Breite: 5,50 m
Tiefgang: 4,50 m
Masthöhe: 29 m
Verdrängung: 7,5-9 Tonnen
Segelfläche: 200-250 qm (am Wind)
Von den 40 Booten sind 13 Neubauten, die ältesten Boote stammen aus dem Jahr 2007. Fast alle Boote wurden in Frankreich konstruiert und gebaut. 26 Boote der Flotte sind mit Tragflügeln (Foils) ausgestattet, ältere Boote haben seitliche Steckschwerter. Alle neueren Boote haben geschlossene durchgehende Deckshäuser und kein Cockpit mehr. Die Boote haben durch ihre Hochtechnologie bei der Figuration der Decks- und Rigg-Ausrüstung, eine auffällige Lackierung und viele Werbe-Aufschriften die Anmutung von
Formel 1-Rennwagen.
Bei den Skippern überwiegen die Franzosen mit 27 Teilnehmern, je drei Skipper fahren unter den Flaggen der Schweiz und Großbritannien, je ein Skipper kommt aus den Ländern USA, China, Japan, Ungarn, Belgien, Italien und Deutschland. Dieses Mal nehmen sechs Frauen an der Regatta teil. 15 Skipper sind das erste Mal dabei. Der älteste Teilnehmer ist mit 65 Jahren die französische Segellegende Jean Le Cam, der bereits sein sechstes Vendee Globe segelt. Die jüngste Teilnehmerin ist die Französin Violette Dorange, 23 Jahre alt, die aus der Jollenszene kommt.
Am Sonntag, dem 10. November ist der Start der Wettfahrt für 13 Uhr angesetzt. Die Auslaufparade soll zwischen 8 und 10 Uhr stattfinden. Als ich gegen 7 Uhr auf einer der Hafenmolen ankomme, hoffe ich auf einen guten Platz. Tatsächlich sind viele Tausende aber noch früher aufgestanden. Alle Ufermauern, Stege, Felsen, Baugerüste, Balkons sind von begeisterten Fans besetzt. Einige haben sogar extra Stehleitern mitgenommen, um über die Menschenmenge hinweg die auslaufenden Boote sehen zu können. Die Stimmung ist unglaublich und eigentlich nur mit der Stimmung in einem großen Fußballstadion vergleichbar. Alle Zuschauer jubeln den Skippern zu, die auf den Vordecks ihrer Boote die Parade abnehmen, während Crewmitglieder die Boote steuern. Manche Skipper zelebrieren ihren Auftritt auf eigene Weise. So steht zum Beispiel der Japaner mit schwarzem Kimono und Samurai Schwert an Deck, der Chinese mit einem historischen Kostüm, ein Franzose zeigt sich mit einer alten Admiralsuniform einschließlich Dreispitz. Das ist schon ein ganz besonderer Moment. Die Begeisterung der vielen Zuschauer ist schon sehr beeindruckend. Der Start der 40 Boote findet dann weit vor der Küste bei leichtem Südostwind statt, von Land aus kaum zu sehen.
Text & Bilder: Peter Haake