Dem pflichtete Professor Alexander Heckel, Bereichs- und Einsatzleiter in Schilksee, bei: „Das war ein Verdienst der unfassbar guten Kommunikation zwischen Wasserwacht und DLRG sowie dem hinzugezogenen THW und der DGzRS auf der einen und den Organisatoren vom Kieler Yacht-Club auf der anderen Seite.“ Zwei schwerer Verletzte kamen ins Krankenhaus, etliche Blessuren hakten die meisten Betroffenen mit einem Schulterzucken ab. Besonders erleichtert waren alle Beteiligten, als ein zunächst vermisster 2.4mR-Segler aus Schweden an Land wieder eingecheckt hatte, nachdem sein Boot draußen ohne ihn und ohne Segel, also auch ohne Segelnummer, gefunden worden war.
Physis, Wille, taktisches Geschick und Gespür für ordentlich Wind und Welle: Der zweite Regattatag im zweiten Teil der Kieler Woche forderte einen bunten Blumenstrauß an athletischen, mentalen und kognitiven Fähigkeiten. Am frühen Nachmittag waren die Reserven der Protagonisten allerdings aufgebraucht. Während Böen mit bis zu 30 Knoten über die Regattabahnen der Außenförde peitschten, begann das Wasser zu schäumen. Geplant waren bis zu vier Wettfahrten. Doch der Wind drehte so kräftig auf, dass zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer von sich aus vorzeitig die Segel strichen und schließlich der Tag nach maximal drei Rennen in acht Klassen für beendet erklärt wurde.
Die Gründe für den Abbruch waren vielschichtig: Während die ILCA-4-Youngster am Ende ihrer Kräfte waren, kämpften die 2.4mR mit den Wellen, die ihnen ins Cockpit schlugen, die Boote fluteten und Segeln unmöglich machten. Auf den Außenbahnen, in der Nähe zum Kieler Leuchtturm überforderten die Bedingungen zudem so manches Material. Zunächst hatte der Tag bei idealen Bedingungen mit mittleren Winden aus West begonnen. Doch die Wettfahrten endeten in einem Szenario, das das Potenzial für Heldengeschichten beim abendlichen Bier bot.
Extrem zur Sache ging es auf Bahn India für die ILCA-4-Youngster und die 2.4mR. Blut rinnt vom Jochbein über die rechte Wange, die sonnen- und salzwasserstrapzierten Augen hinter einer verspiegelten Sonnenbrille versteckt, als Weltmeister Heiko Kröger sein 2.4mR-Boot traumwandlerisch sicher am Steg anlandet. „Ich bin das letzte Rennen noch weiter gesegelt, denn ich hatte gar nicht mitbekommen, dass es schon abgebrochen war“, berichtet der 14-malige Kieler Woche-Sieger, der nach dem zweiten, am Ende doch extremen Wettfahrttag einmal mehr auf Kurs zum 15. Titel liegt. Vor allem bis zu anderthalb Meter hohe Wellen hatte den kleinen Kielbooten zugesetzt. Auch der Meister wäre „beinahe vollgelaufen, als ich die Schot nicht aus der Klemme bekam und aus dem Ruder lief, das war hart an der Grenze.“ Nach fünf Rennen führt der 58-Jährige drei Punkte vor dem Finnen Marko Dahlberg. Der zweimalige Weltmeister luchste ihm zwei Tagessiege ab. Und dann noch verletzt, was ist passiert? Kröger: „Eine ILCA hat mich im Hafen aufs Korn genommen, plötzlich hatte ich den Bug im Gesicht.“
Die Kollision ging glimpflich ab, bevor Manfred Kieckbusch an der Seite eines DLRG-Schlauchboots in den Olympiahafen kam. Seine 2.4mR „schwamm“ rund 20 Zentimeter unter der Wasseroberfläche. „Es war die eine Welle zu viel, dann ist das Boot voll, und du hast keine Chance mehr, es leer zu pumpen“, so der Mann vom Arnisser Segel-Club an der Schlei, „das ist mir zum ersten Mal passiert.“ Bei der Kieler Woche und Ende Juli bei der WM an gleicher Stelle seien „nur die Guten dabei, die das abkönnen“. Sein Sitz, diverse Leinen und Kleinkram gingen verloren, der Schlepp in den Hafen war „wie ein Intervalltauchgang“, aber der Skipper stand inzwischen völlig durchnässt wieder „auf dem Trockenen“, er ist 26ster.
Auch die Rekordweltmeister im Flying Dutchman, die Ungarn Szabolcs Majthenyi/Andras Domokos, gaben zu: „Ja, das war zu viel“. Die Ungarn mussten sich in der letzten Tageswettfahrt mit Platz vier begnügen, bleiben aber nach bisher vier Siegen an der Spitze des Klassements vor den amtierenden Weltmeistern Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers. Der Grund für die aktuelle starke Die Ungarn sind seit 1994 absolute Weltspitze und bleiben es offenbar. Domokos: „Wir haben ein gutes Bootssetting und kommen sehr gut vorbereitet hierher.“
Im Contender rückt die Spitze des Feldes eng zusammen – mit einem neuen Führenden. Weltmeister Sören Andreasen (Dänemark) zog an seinem Landsmann, dem Europameister Jesper Armbrust, vorbei. Beide sind punktgleich und haben vor dem Bremer Christoph Homeier lediglich einen Punkt Vorsprung. Max Billerbeck, der Weltmeister von 2019, verlor durch einen achten Platz im letzten Tagesrennen als Gesamtvierter etwas den Anschluss. „Die letzte Wettfahrt war schon heftig.“ Bei achterlichen Winden, so berichtete Billerbeck, wurde das Rigg derart weit nach vorn gedrückt, dass der Vorstag-Spanner auf dem Deck auflag.
Zum Ausscheidungsrennen wurde der Tag bei den OK-Jollen. Nach und nach reduzierte sich das Feld der insgesamt 71 Starter. 19 Sportler schafften es in der dritten Wettfahrt ins Ziel. Viele hatten vorher aus Rücksicht auf sich und das Material aufgegeben. Andere beklagten zerrissene Segel, herausgerissene Beschläge und aufgebrochene Decks. Auch Bo Petersen ließ die letzte Wettfahrt sausen, konnte diese aber streichen. Damit bleibt er der Führende punktgleich vor dem Schweden Niklas Edler und Jan Kurfeld (Wismar).
Als ein Musterbeispiel an Ausdauerfähigkeit präsentierte sich die finnische ILCA-6-Seglerin Monika Mikkola. Nach den fünf Kieler Woche-Tagen im olympischen Part zieht sie nun auch im internationalen Teil weiter durch. Selbst gegen männliche Konkurrenz ließ die 28-Jährige nicht locker und fährt weitere Topergebnisse ein. Allerdings musste sie an ihrem siebten Segeltag in Folge gestehen: „Ich bin sehr erschöpft. Heute war es hart gegen die Jungs. Es ist eine große physische Herausforderung.“ …die sie mit zunehmender Belastung immer besser zu meistern schien. Nach den Plätzen vier und zwei steuerte sie im dritten Tagesrennen ihrer Gruppe auf Siegkurs.
Doch kurz vor der letzten Bahnmarke unterlief ihr ein Manöverfehler. Um die Halse vorzubereiten, rutschte sie ins Boot, bekam plötzlichen Druck ins Segel und konnte ihre Jolle nicht mehr halten, als der Baum ins Wasser klatschte. Die Folge: Kenterung und Verlust der Spitzenposition. Insgesamt rangiert sie nun auf Platz drei. An der Spitze steht der Franzose Alexandre Kowalski, der in der Parallelgruppe ebenso drei Siege einfuhr wie die Ukrainerin Sofiia Naumenko auf Gesamtrang zwei.
Trotz eines Streichresultats an diesem Tag verteidigte der Schweizer Jean Glauser seine Führung bei den ILCA 4 vor Ivan Gribov (Ukraine) und Tristan Schnitzer (ebenfalls Schweiz). Frisch durchgemischt wurden dagegen die Spitzenpositionen in den Kielboot-Klassen, die zwei Wettfahrten ins Ziel brachten. Bei den J/24 bleibt es bei einer Hamburger Doppel-Führung, allerdings in komplett neuer Besetzung. Fritz Meyer führt mit seiner Crew vor Stefan Karsunke sowie den Niederländern um Dirk Olyslagers. Die Führung in der J/70 übernahm Julian Ramm (Itzehoe). Auf den Verfolgerpositionen haben sich Kim Christensen (Dänemark) und Kai-Uwe Hollweg (Bremen) eingerichtet.