„Wird das Wetter wirklich immer extremer?“ hatte ein langjähriges KYC-Mitglied im Fahrtenausschuss überlegt. Der Ausschuss beschloss – noch vor dem historischen Hochwasser – das Thema aufzugreifen – und lud Sebastian Wache ein.
Nach Brotzeit bei Kerzenschein gab der Gastgeber des Abends, Ingo Kolmorgen für den Fahrtenausschuss, das Podium frei für den Kieler Diplom-Meteorologen. Dass er für sein Thema – das Wetter und das Klima – brennt, zeigte der Kieler, selber Segler, Dozent am GEOMAR - Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel und Wetter-Experte für das Schleswig-Holstein-Magazin, schnell – und stieg sogleich mit meteorologischen Superlativen ein:
2023 war in meteorologischer Hinsicht ein trauriges Rekordjahr mit Starkregen, Hitze, riesigen Hagelkörnern und Stürmen in vielen Regionen Europas. „Überall sprengt 2023
die Grenzen des bisher dagewesenen“, so der Meteorologe. Allein Norddeutschland sah von April bis Juni fast zehn Wochen ohne Regen. Auf eine karibisch anmutende Kieler Woche folgten ein nasser Juli und August – mit Sturm zur ORC WM. Ein Goldener September – der wärmste sein Messbeginn – erfreute zum Sundowner im Cockpit. Der Oktober brachte dann das Jahrhunderthochwasser in der Ostsee, November und Dezember deutlich mehr Niederschlag als gewohnt – und Niedrigwasser mit Ständen von deutlich mehr als einem Meter unter Normal Null.
Wie es dazu kam?
Auf-, Ab-, Passatwinde und Jetstreams - Sebastian Wache nahm die Gäste mit auf eine Reise durch die Wetterthemen von SKS und SSS, zu den klassischen Grundprinzipien von Wetter und Klima. Doch, vieles, was über Jahrzehnte, Jahrhunderte, galt, hat heute keinen Bestand mehr. Der Klimawandel hat alte Gewissheiten auf den Kopf gestellt. Er begünstigt u.a. die Bildung von „Heat Domes“ – Hitzekuppeln -, stabiler heißer Wetterlagen, die sogar Einfluss auf Jetstream und Co nehmen.
Es wird flauer. Und intensiver.
Was können wir für die Zukunft in Schleswig-Holstein erwarten? Tendenziell gilt: Wetterlagen bleiben länger stabil. Extremwetterereignisse werden häufiger. Es wird wärmer. 2023 hat die Erde fast die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klimaabkommens überschritten. Es war das heißeste Jahr aller Zeiten. In Schleswig-Holstein wurden die zwei Grad geknackt.
Es wird nasser. Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Wasserdampf aufnehmen als eine kältere. Dadurch steht mehr Wasserdampf für Niederschläge zur Verfügung. Ein Grad Erwärmung verstärkt die Möglichkeit extremer Tagesniederschläge um etwa sieben Prozent.
Der Wind nimmt ab und kommt häufiger aus ungewohnten Richtungen. Die stärksten gemessenen Böen in Schleswig-Holstein werden im überjährigen Vergleich zunehmend schwächer – und auch die Anzahl der Tage mit Orkanböen im Jahr sinkt. Auch wenn der mittlere Wind derzeit noch keine großen Änderungen vorweist, sind es vor allem die Extreme, bei denen sich die Änderungen stark äußern. Kommt dann doch mal ein starkes Tief, können diese aufgrund höherer Temperaturen und damit mehr Energie in der Atmosphäre punktuell kräftiger ausfallen.
Dazu müssen wir uns auf häufigere, stärkere Hochwasser, langfristig steigende Meeresspiegel einstellen. Das liegt neben dem Schmelzen des Grönlandeises auch an thermodynamischen Effekten.
Trotz der Rekordmeldungen aus dem vergangenen Jahr und den aktuellen Prognosen übt der Meteorologe sich angesichts des wachsenden öffentlichen und politischen Bewusstseins in Optimismus – und gibt praktische Tipps:
„Wir alle haben heute eine Vielzahl an Werkzeugen, um uns auf das Wetter vorzubereiten. Nutzen wir sie!“
… so der Meteorologe. Er empfiehlt eine vierschrittige Analyselogik unter Nutzung zum Beispiel der folgenden Werkzeuge:
1. Wetterlage/-entwicklung beobachten: WXcharts.com, Wetterzentrale.de
2. Hinweise zu Unwetterlagen prüfen: stormforecast.eu, estofex.org
3. Detailvorhersage für die Region mit GRIB-Daten einholen: z.B. Seaman (Wetterwelt)
4. Abgleich mit aktueller Situation (!): Windy.com, Meteoblue.com, Blitzortung.org
Nach knapp zwei Stunden beendete Sebastian Wache seinen Vortrag unter großem Applaus der Gäste. „Großartig“, lobte Beiratsmitglied Thomas Beyer. Wie er sprachen viele der Teilnehmenden dem Kieler Meteorologen persönlich ihren Dank aus.
Carina Wegner/ KYC