Bevor wir unsere Boote für die Europameisterschaft in La Grande Motte verpackten, sind wir noch eine Woche lang in Kiel gesegelt. Die Strander Bucht ist definitiv eines unserer Lieblingsreviere, aber leider war die letzte Aprilwoche so, wie wir den April in Norddeutschland kennen: Sonne und blauer Himmel wechselten sich immer wieder mit Schauern ab, die auch Schnee und Hagel mit sich brachten. Wenn die Temperatur der Luft bei 7 Grad und die des Wassers 4 Grad beträgt, dann ist Segeltraining vor allem für eines gut: Mentale Stärke. Solche Tage härten ab. Dennoch konnten wir an unseren Manövern arbeiten und zum Ende der Woche bekamen wir mit knapp 20 Grad und wunderbarem Wind
schon einen Vorgeschmack auf das, was uns in Südfrankreich erwartete.
Die Stadt La Grande Motte liegt an der französischen Mittelmeerküste nahe Montpellier. Ihr Wahrzeichen sind die von Architekt Jean Balladur geschaffenen „Pyramiden“, terrassenförmig angelegte Hochhäuser, die wie Stufenpyramiden aussehen. Bereits in der Woche vor Regattastart wurde die kleine Stadt mit knapp 9.000 Einwohnern von Seglern und Seglerinnen überrollt. 300 Athleten und Athletinnen gingen an den Start, denn parallel zur Europameisterschaft für die 49er und 49erFX fand auch die Weltmeisterschaft für die Nacra 17 statt.
Auch wir reisten ein paar Tage früher an, um uns an das Revier zu gewöhnen. Entweder 20+ Knoten Mistral oder 5-10 Knoten thermischer Wind - es herrschen ähnliche Segelbedingungen wie am olympischen Austragungsort Marseille, der 150 km weiter östlich liegt. Für viele Teilnehmer*innen war es daher eine Einstimmungsregatta für die Olympischen Spiele. Auch Emmas Bruder Paul ging zusammen mit Alica Stuhlemmer an den Start. Mit Paul etablierten wir die Routine, abends Boule zu spielen, was nach langen Tagen auf dem Wasser ein schöner Ausklang war.
Mistral. In den ersten beiden Renntagen wurden Speedrekorde geknackt. Mit ablandigem Wind baute sich nur eine kleine Welle auf, was für uns von Vorteil ist, da wir schneller als die Wellen segeln und sie daher nur eine Behinderung darstellen. Bis zu 28 Knoten wurden gemessen. Auch wenn wir keine Foils haben wie die Nacra 17, fühlte es sich an, als würden wir über das Wasser fliegen. Für ein noch etwas zu leichtes Junioren Team in der Senioren Fleet haben wir zwei von drei Rennen am ersten Tag ziemlich gut gemeistert, eins mussten wir leider aufgrund einer unglücklichen Kenterung aufgeben. Zum Ende ging der Wind nochmal stark in die Höhe und der Weg in den Hafen stellte sich als Herausforderung dar. 400m vor der Hafeneinfahrt fuhren wir einen Nosedive, sodass unser Bug komplett unter Wasser stand. Durch den Druck in den Segeln wurde das Heck aus dem Wasser geliftet und kurz bevor das Boot kenterte, sprang Anna aus ihrem Trapez ins Wasser. Leider genau dorthin, wo auch das Heck wieder aufs Wasser schlug. Es traf genau auf ihren Kopf. Das war schmerzhaft und ein ordentlicher Schock.
Nach ärztlicher Begutachtung war klar, dass es sich um eine Gehirnerschütterung handelte und an Segeln am nächsten Tag nicht zu denken war. Den zweiten Renntag verbrachte Anna also im Bett und versuchte mit Hilfe vom Physiotherapeuten, viel Ruhe und Schlaf möglichst schnell zu regenerieren.
Das Glück lag auf unserer Seite, denn aufgrund zu viel Windes wurde in der FX-Flotte an diesem Tag nur ein Rennen gesegelt.
Am dritten Renntag ging es Annas Kopf wieder besser und es war glücklicherweise auch weniger Wind. Der Schlag auf den Kopf scheint nicht allzu viel Schaden angerichtet zu haben, denn mit den Ergebnissen 7, 5, 1, 2 hatten wir den besten Tag des gesamten Fleets und arbeiteten uns vom 22. auf den 7. Platz hoch. Die Top 10-Platzierung konnten wir die Tage danach leider nicht ganz halten. Wir beendeten die EM overall auf dem 12. Platz, 10. in der europäischen und 3. in der U23 Wertung.
Damit sind wir sehr zufrieden, besonders unter dem Gesichtspunkt, dass auch einige Olympiateams am Start waren, von denen wir ein paar hinter uns gelassen haben. Hier der Link zu den Ergebnissen.
Wir konnten in einem so starken Feld viele tolle Erfahrungen sammeln und haben jetzt einen guten Überblick, woran wir die nächsten Wochen im Training arbeiten wollen. Wir freuen uns sehr auf die Kieler Woche und die Stimmung, die mit ihr nach Schilksee kommt. Es ist immer wieder magisch, gegen die internationalen Top-Teams auf unserem Heimrevier anzutreten. Die Junioren Weltmeisterschaft, die für uns Saisonhöhepunkt ist, findet im Juli in Galizien statt.
Wir halten Euch auf dem Laufenden.
Eure Emma & Anna