„Es ist mir eine Freude, so viele internationale Seglerinnen und Segler aus der ganzen Welt hier in Kiel-Schilksee begrüßen zu können. Zum ersten Mal werden die Offene und die Para Weltmeisterschaft der 2.4mR-Klasse gleichzeitig an einem Ort ausgetragen. Aktive mit und ohne Handicap treten unter den selben Bedingungen an. Das 2.4mR Kielboot macht das möglich, und der Olympiahafen Kiel-Schilksee hält die notwendige Barrierefreiheit vor. Dank der Förderung durch Bund und Länder war es möglich, geeignete Steganlagen und einen Fahrstuhl zu installieren. Seit Jahren unterstützen wir den paralympischen Segelsport in Schleswig-Holstein und damit eine starke Infrastruktur“, sagte Sütterlin-Waack bei der Eröffnungszeremonie.
Sie dankte ausdrücklich dem Kieler Yacht-Club für die Ausrichtung der WM. Der stellvertretende Vorsitzende des Clubs gab den Dank weiter an den Obersten Wettfahrtleiter Stephan Giesen und all die Ehrenamtlichen, die die Weltmeisterschaft möglich machen. Zu den weiteren Ehrengästen bei der Eröffnung zählte auch Gerwin Stöcken, Stadtrat für Soziales, Wohnen, Gesundheit und Sport.
Zuletzt ergriff Heiko Kröger, Präsident der internationalen 2.4mR-Klassenvereinigung und erfolgreicher Para-Segler bei der Eröffnung das Wort. Er erinnerte sich zurück an die erste 2.4mR-Regatta im Rahmen der Kieler Woche im Jahr 2002, wo die damals paralympische Klasse von den Seglern der olympischen Klassen zunächst noch etwas belächelt wurde. Letztlich wurden wegen zu viel Wind alle anderen Klassen außer der 2.4mR abgesagt, was die Sichtweise der anderen Aktiven komplett veränderte. „Inzwischen hatten wir viele Kieler-Woche-Regatten, die Para Worlds und nun die Inklusive Weltmeisterschaft. Eigentlich ist die Klasse von Beginn an inklusiv gewesen, aber nun hat World Sailing zugestimmt, dass wir das offizielle Para-Event in der Offenen Weltmeisterschaft haben. Es ist gut, dass wir hier inklusiv segeln, wie wir es schon immer getan haben, aber so bekommen wir viel mehr Aufmerksamkeit für die Klasse“, sagte Kröger, der bei der WM als Titelverteidiger an den Start geht.
Beim Vermessen der Boote geht es um Millimeter
Bevor jedoch der Startschuss zur Wettfahrt fällt, standen für die Seglerinnen und Segler in den vergangenen Tagen noch einige Aufgaben an Land auf dem Programm. Denn: Um faire Wettfahrten zu gewährleisten, müssen vor einer Weltmeisterschaft alle Boote, Segel und Masten dem Vermesserteam vorgeführt werden. Erst danach gibt es das Okay zum Start oder – wenn es nicht ganz so glatt läuft –, den Hinweis, was noch geändert werden muss. Was nicht passt, wird gegebenenfalls noch passend gemacht – eventuell durch ein paar Millimeter Kürzung des Mastes beziehungsweise der Segellattentaschen oder ein paar zusätzliche Bleigewichte im Rumpf. Ob etwas geändert werden muss, entscheidet im Fall der 2.4mR-WM der Vermesser Tom Jatsch. Von Sonntag bis Dienstag hat er das Material der Teilnehmenden genau unter die Lupe genommen und anhand der dazugehörigen Messbriefe überprüft.
Ein Aktiver nach dem anderen hat sein Boot auf einem Trailer zu Jatsch zum Wiegen am Haken in die Bootshalle geschoben. Plus/minus ein Kilogramm musste die rot leuchtende Zahl der Waage mit dem eingetragenen Gewicht des Bootes auf dem Messbrief übereinstimmen. Gewogen wird das Boot mit Segeln, Mast, Baum, Sicherungsleine, Handpumpe und Batterie für die fest eingebaute Pumpe. Wenn es zu leicht ist, werden die fehlenden Kilos durch zusätzliche Bleigewichte im Kiel erreicht. Da hilft auch nicht der Hinweis, dass man als Segler selbst schwer ist. Das spielt dabei keine Rolle. Und falls die Zusatzgewichte bei einer späteren Kontrolle nicht mehr an Ort und Stelle seien, drohe Disqualifikation, erklärt Jatsch. Doch bei den meisten Aktiven stimmte direkt alles mit dem jeweiligen Messbrief überein.
Gleich nebenan in der Schilkseer Vaasahalle mussten die Segel und Masten den strengen Blicken des Vermessungsteams standhalten. An den Segeln galt es die vom Segelmacher oder Deutschen Segler-Verband ausgestellten Vermessungsplaketten zu überprüfen. Zudem ging es beim Check der Großsegel mitunter nur um Millimeter. „Die Länge der Segellattentaschen darf nach den aktuellen Klassenregeln maximal 68 Zentimeter betragen. Sind die Taschen länger, müssen sie gekürzt werden. Das ist durchaus ein paarmal vorgekommen“, erzählt Jannis Meyer, während er das Zentimetermaß anlegt. Insgesamt drei Vorsegel und zwei Großsegel werden pro Teilnehmendem gecheckt und bekommen im Idealfall nach bestandener Kontrolle das Siegel der WM aufgeklebt. Millimetergenau geht es auch beim Vermessen der Masten zu. Exakt fünf Meter darf er bis zu einer bestimmten Markierung lang sein, sonst muss gekürzt werden. Ist das komplette Material für gut befunden worden, bekommt das Boot acht Aufkleber verpasst: je einen für Rumpf, Baum und Mast sowie fünf für die Segel.
Sobald die Boote im Hafenvorfeld fertig aufgebaut sind, dreht Vermesser Tom Jatsch mit seinem Assistenten Fred Sulek eine weitere Kontrollrunde an Land und überprüft die Sicherheitsausrüstung und Aufkleber. Dabei ergibt sich manchmal noch eine interessante Zusatzaufgabe. So stand am Montag spontan ein sogenannter Sinktest an, der alle fünf Jahre fällig ist. „Dabei lassen wir das im Wasser liegende Boot volllaufen und überprüfen, ob es im Notfall sicher ist und oben bleibt. Zusätzlich kommt ein Mindestgewicht von 35 Kilogramm in Form von Bleigewichten ins Boot“, erklärt Jatsch. Der Test ist ein spannendes Unterfangen, ein wenig Nervenkitzel für den Bootseigner inklusive, wenn sein Boot im Hafenbecken immer tiefer ins Wasser sinkt.
Die Klassifizierung entscheidet, wer um den Para-Titel segelt
Wer bei der Para-Weltmeisterschaft mitsegeln will, muss nicht nur sein Material vermessen lassen, sondern auch zur sogenannten Klassifizierung. Bei der 2.4mR-Weltmeisterschaft übernimmt diese Dr. Jürgen Schwittai nach den Vorgaben von World Sailing. „Im Idealfall bringen die Aktiven medizinische Dokumente mit zur Klassifizierung, aus denen die Beeinträchtigung hervorgeht. Dabei geht es um Einschränkungen der Kraft, Koordination und Gelenkbeweglichkeit. Ich schaue mir die Person an, frage, wo die Probleme sind, und mache gegebenenfalls funktionelle Tests, um die Einstufung zu ermitteln. Anhand einer Tabelle werden Punkte vergeben, die den Grad der Einschränkung zeigen. Bei der WM zählt im Grunde nur, ob die Beeinträchtigung groß genug ist, um in der Para-Wertung zu starten“, erklärt der Arzt. Der Zweck des „Para World Sailing Classification Systems“ bestehe darin, die Fähigkeiten der Segler und Seglerinnen zu messen, um einen fairen und gerechten Para-Wettbewerb zu gewährleisten.
Gute Bedingungen beim Practice Race im Regattarevier
Als Generalprobe für die Rennen der Weltmeisterschaft starteten die Aktiven gestern in einem Practice Race im Regattarevier und bekamen so einen Vorgeschmack auf die Wettfahrten, die bis Samstag angesetzt sind. Titelverteidiger Heiko Kröger kehrte nach der ersten Runde des Trainingsrennens in den Hafen zurück, da er sein Heimatrevier ohnehin sehr gut kennt. Der Windbedingungen kamen der amtierenden Vizeweltmeisterin Megan Pascoe entgegen und sie übernahm die Führung. „Das Rennen hat Spaß gemacht. Der leichte Wind war perfekt für mich. Und es war schön, eine so große Flotte wieder zusammen zu sehen, vor allem dass auch einige neue jüngere Segler mit dabei sind“, sagte Pascoe.
Für Mittwoch um 11 Uhr ist das Warning Signal für das erste Rennen angesetzt. Gestartet wir aufgrund des großen Teilnehmerfeldes in zwei Gruppen. Letzte Startmöglichkeit im Rahmen der WM ist am Samstag um 14 Uhr. Maximal elf Rennen sind laut Ausschreibung insgesamt geplant. Die Siegerehrung findet im Anschluss an die Regatta am Samstagnachmittag, 3. August, statt.
Text: Katrin Heideman