Silvester in Spanien
Deswegen verbrachten wir den Jahreswechsel bereits am Mittelmeer im Spanischen El Balís, um mit einer internationalen Trainingsgruppe die Saison einzuläuten.
Die Wahl des Trainingsreviers sollte sich schon bald auszahlen, denn bereits Mitte Februar kehrten wir nach El Balís zurück, um den ersten 29er-Eurocup nach der Winterpause gegen 136 segelhungrige Teams zu bestreiten. Bei leichten bis mittleren Winden erreichten wir als bestes deutsches Team mit der Serie 1,4,7,7,2 Gesamtrang neun. Damit hatten wir einen ersten Eindruck unseres Potentials auf internationalem Niveau.
Ostern in Frankreich
Aufgrund von Pers Abiturklausuren konnten wir den März und April nur unregelmäßig für Trainings und Regatten nutzen, entschieden uns aber dennoch zur Teilnahme am zweiten Eurocup im südfranzösischen Hyères. Starke, ablandige und drehende Winde stellten uns hier vor neue Herausforderungen. Die extrem verkürzte Vorbereitungszeit machte sich deutlich bemerkbar. Bei zwölf Rennen der Gesamtserie passierten uns ein DidNotFinish, ein BlackFlagDisqualified und schlimmer weise zuletzt auch noch ein DidNotStart, als wir in der Startvorbereitung bei leichterem Wind unseren Trainingsschlag zu lang ausgelegt hatten („autsch“). Es reichte am Ende nur für einen Platz im Mittelfeld (29. von 97 Teilnehmern). Damit wurden wir kurzfristig geerdet und wachgerüttelt.
Alles neu macht der Mai
Dank der großartigen Unterstützung des KYC wurde es uns ermöglicht, für unsere letzte und gleichzeitig so wichtige 29er-Saison noch einmal aufzurüsten: Die J&R erneuerte ihren Bootspark mit zwei neuen 29ern, von denen wir einen, GER 3345, für die Saison chartern durften. Die verbindliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Kai Bertallot und seinem Team sind für uns eine besondere Basis.
Wie wichtig dieser Schritt für uns sein würde, sollte sich im Laufe der Saison erst herausstellen. Es folgten zumindest 35 Stunden intensive Bootsarbeit in der Garage: zunächst wurden Rumpf, Schwert und Ruder in Boots-Bauchlage mithilfe von Lasertechnik vermessen und ausgerichtet. Danach folgten unzählige Detailarbeiten an Rumpf, Rigg und laufendem Gut.
Endlich allein unterwegs
Zwei Testschläge vor Schilksee konnten wir mit dem neuen Boot machen, bevor es schon für den nächsten Eurocup in Workum, Holland, verladen wurde. Diesmal war es eine besondere Regatta – die erste ohne die Eltern - „yeah“!
Wir fuhren gemeinsam mit den Sach-Brüdern aus Ostholstein mit deren BigBox-Trailer nach Holland ans Ijsselmeer. Der Trailer diente uns nicht nur für den Transport von zwei 29ern, sondern auch als mega Herberge für vier Jugendliche. Die vier Regattatage waren von viel Wind und kurzer, steiler Ijsselmeer-Welle geprägt. Kentern wollte man wegen der niedrigen Wassertiefe nicht, da ein hohes Risiko bestand, den Mast zu brechen. Das zahlenmäßig eher kleine Teilnehmerfeld (44) war jedoch qualitativ hochwertig besetzt. Umso mehr freuten wir uns über Gesamtrang 7. – das neue Boot war schnell, einige technische Probleme konnten im Laufe der Serie behoben werden, und unsere Performance war auch bei stärkerem Wind auf einem guten Weg.
Erfolgreiches Kiel-Training
Zurück in Kiel begann eine mehrwöchige, intensive Trainingsphase zusammen mit den Sachs. Unsere Freundschaft mit Anton und Johann erleichterte die tägliche Motivation. Wir machten uns gegenseitig stark und wuchsen zu einer hoch effizienten Trainingsgruppe zusammen. Durch Materialtests wie Segel- und Lattenvergleiche und intensive Auseinandersetzung mit Fahrtechniken brachten wir uns gegenseitig auf ein top Speedlevel bei unterschiedlichsten Bedingungen.
Bei der YES-Regatta landeten wir dann prompt punktgleich auf Platz 3 und 4 und konnten mit unseren Zielen, die wir uns im Team gesteckt hatten, zufrieden sein. Unsere Konstanz im Rahmen der Wettfahrtserie (nur Top-Ten-Plätze) gab uns ein Gefühl von Sicherheit für die anstehenden Zielwettkämpfe.
Letzte Bestandsaufnahme - KiWo
Die Kieler Woche war in diesem Jahr für die 29er-SeglerInnen ein besonderes Event. Zu dem Eurocup auf unserem Heimatrevier kamen 168 Teams aus 21 Nationen. So gab es durch die Feldgröße und die Leistungsdichte schon den Vorgeschmack auf die nachfolgende WM und EM. Ungewöhnliche Bedingungen bei Nordnordwestwind erforderten Nervenstärke und Stabilität im Team. Mit Platz 11 verpassten wir am Ende unser gesetztes Ziel, die TopTen zu erreichen, und gingen mit einigen Hausaufgaben aus der KiWo raus.
Abi in der Tasche, los zur WM
Ganze fünf Tage nach Beendigung der KiWo absolvierte Per sein mündliches Abitur. Mit Erleichterung und frischer Motivation konnten wir nun zu unserem ersten Zielwettkampf, der WM in Weymouth (England), aufbrechen. Unser Dank geht an Landestrainer Thomas Berg, der für uns den aufwendigen Materialtransport übernahm. Wir begannen bei typisch englischem Wetter mit Sturm und Regen unser fünftägiges Vorbereitungstraining auf dem ehemaligen Olympiarevier von 2012 und waren beeindruckt von der Größe und gleichzeitig überrascht von der Tristheit des olympischen Segelzentrums Portland. Die 205 teilnehmenden Boote füllten nicht mal ein Zehntel der zur Verfügung stehenden Betonfläche aus. Mit einem Crewgewicht von nur 126kg fanden wir mit täglich 18-26kn Wind nicht unsere Lieblingsbedingungen vor. Obwohl wir uns nach Trainingsabschluss und intensivster Vorbereitung unter Thomas professioneller Anleitung vor Ort wie auch schon im Laufe der Saison gut gewappnet fühlten, wurden wir im Rahmen der Sturm-WM schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die Geschwindigkeit reichte nicht aus, um mit den schwereren Crews mithalten zu können. Taktische Varianten waren nicht gefragt, sondern die pure Speedperformance. Am Ende verpassten wir knapp den Einzug ins Goldfleet und fanden uns enttäuscht auf Rang 17 im Silberfleet wieder.
Auf nach Schweden
Nur zehn Tage blieben uns fürs Verdauen des WM-Frusts, die Anreise und die Vorbereitung auf den zweiten großen Zielwettkampf des Jahres 2023, die Europameisterschaft in Stockholm.
Andere Segelbedingungen und ein neues, frisches Mindset gaben uns Zuversicht, eine erfolgreiche EM bestreiten zu können. Hier schien endlich wieder die Sonne – Bullerbü pur. Der Druck war allerdings wiederum groß, weil die EM gleichzeitig vom Deutschen Segler-Verband als erste von zwei Qualifikationsregatten zur Teilnahme an den World Sailing Youth World Championships 2023 in Brasilien festgelegt worden war.
Vize-Europameister
Bei mittleren Winden und taktisch anspruchsvollen Bedingungen kämpften insgesamt 173 Boote aus 24 Nationen um den Europameistertitel 2023.
Nach einer soliden Qualifikationsserie (9 Rennen) erreichten wir mit Gesamtrang 8 sicher das Goldfleet (Top 44) und zeigten dann mit einer super Finalserie in weiteren 8 Rennen unsere Nervenstärke. Mit dieser konstanten Leistung und einem weiteren Tagessieg am Finaltag gelang uns der Sprung auf das Podium: Silber!!! Ein unvergesslicher Moment!
Ein großer Dank geht an Philipp Sudbrack für sein super Coaching vor Ort in Schweden.
Mit dem großen Punkteabstand zum zweitplatzierten deutschen Team (Anton und Johann Sach auf Rang 25) gelang uns ein großer Schritt in Richtung YouthWorlds-Qualifikation.
IDJM Greifswald: Bronze
Wir fuhren nach Greifswald mit dem Ziel vor Augen, den Deutschen Meistertitel mit nach Hause zu bringen und die Qualifikation für die Youth Worlds abzusichern (die IDJM ist nach der EM das zweite Quali-Event).
Und es fing so gut an: am ersten Wettfahrttag fuhren wir gleich dreimal als Erste über die Ziellinie. Im Hafen kam die Ernüchterung mit der Info, dass wir in Rennen eins zu früh über der Linie waren (BFD). Damit war der erste und einzige Streicher bereits verbraucht. Und es sollte noch schlimmer kommen: Tag 2 begannen wir gefühlt zurückhaltender und dennoch nicht vorsichtig genug. Noch ein BFD in Rennen vier und der war nicht zu streichen. Kurzfristig fanden wir uns in der Ergebnisliste auf Rang 34 wieder. Was für ein Schock! Sogar die Qualifikation für die Youth Worlds schien in Gefahr.
Jetzt war die alte mentale Stärke aus Stockholm gefragt – nur musste sie ad hoc abgerufen werden: Dazu blieben uns nur einige Minuten, bis Rennen fünf gestartet wurde. Erneut half uns taktische Sicherheit und Konstanz, um am Ende sogar noch das Podium zu erreichen - mit Bronze bei der IDJM ein versöhnlicher Abschluss.
Búzios is calling
Die Quali für die Youth Worlds in Brasilien hatten wir damit in der Tasche und unsere Vorfreude auf das upcoming Event ist entsprechend riesig.
Die Youth Worlds gelten auch als die Jugendolympiade des Segelns und zählen somit zu den „ganz großen Erlebnissen“ der LeistungsseglerInnen.
Gemeinsam mit dem Deutschen Nationalteam werden wir am 06. Dezember nach Brasilien aufbrechen. Zwölf SportlerInnen (29er, Ilca 6, 420er, IQ-Foil, jeweils men&women) und drei Coaches gehören zum Team.
In Búzios erwarten uns besondere Segelbedingungen. Hohe Dünungswelle (3-4m) und Wind zwischen 15 und 25kn gehören dort zur Tagesordnung. Entsprechend arbeiten wir seit Wochen an unserer körperlichen Fitness und unserem Crewgewicht und nutzen Starkwindbedingungen, um uns bestmöglich vorzubereiten.
Dank der guten internationalen Verbindungen unseres Landestrainers Thomas Berg dürfen wir gemeinsam mit dem ungarischen Nationalteam und deren Coach ein letztes fünftägiges Vorbereitungstraining in der Atlantikwelle vor Portugal (Cascais) absolvieren.
Wir sind gespannt auf Búzios, und eines steht fest: wir werden unser Bestes geben!
Text: Per und Frederik Schwall