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Ginkgo's Fastnet Race

Cowes/ Cherbourg. Die Humphreys 39 Ginkgo mit Dirk Clasen und seiner Crew blicken zurück auf die Jubiläumsauflage des Offshore-Rennens: "Liebe Freunde, Unterstützer und neugierige Stalker! Wir, die Crew der Ginkgo, haben uns sehr gefreut über Eure Begleitung, Eure Glückwünsche und die vielen tollen Kommentare zu unserem Abenteuer Fastnet Race 2023.

Ginkgo hart am Wind (c) RORC/ Carlo Borlenghi

Gerundet! Wird es jetzt ruhiger für die Ginkgo-Crew? (c) RORC/ Kurt Arrigo

Geschafft! Die Crew der Ginkgo im Ziel. (c) RORC/ Arthur Daniel

Sieger ihrer Klasse - und ganz weit vorn im Gesamtranking. (c) Paul Wyeth/ www.pwpictures.com

Da es kaum möglich ist jedem von Euch einzeln und mit entsprechendem persönlichem Inhalt zu versorgen, haben wir dieses Abenteuer für Euch alle zusammengefasst.
Das Abenteuer startete mit einem Plan. Fastnet oder ORCi Worlds in Kiel war die Frage im letzten Jahr. Das Votum fiel klar auf das Fastnet. Somit haben wir uns seit dem letzten Winter auf diesen Höhepunkt gemeinsam vorbereitet. Die Nordseewoche mit dem Helgoland Offshore Triangle sollte unsere Qualifikation werden. Dieses Rennen fiel für uns jedoch wegen einer aus dem Tuff Luff gerissenen Genua 4 aus. Die Offshore Regatten im letzten Jahr genügten der Wettfahrtleitung des RORC für die Qualifikation dann am Ende auch. Mit einem letzten Offshore Training binnen 24 Stunden rund um Fyn waren Crew und Boot gut vorbereitet.
Die Überführungscrew brachte die Ginkgo nach Cowes. Der Rest der Crew reiste auf anderen Wegen oder per VW-Bus nebst Yachtprofi-Anhänger nach Cowes. Die Überführung war bereits ein echter Härtetest! Bei Winden aus SW bis W mit Stärken bis 40 Knoten kreuzte die Crew sich teils nur unter Sturmfock mühsam nach Westen, zum Teil auf der Stelle bei unglaublich rauer See und fliegender Gischt. Diese Anreise haben wir uns alle leichter vorgestellt. Gerade Mitte Juli sind die Bedingungen meist moderat und angenehm, was beides in diesem Jahr nicht zutraf.
In Cowes wurden wir von bestem Sommerwetter, toller Stimmung und von vielen weiteren Teilnehmern empfangen. Die Ginkgo wurde vorbereitet, kleine Blessuren beseitigt und letzte Optimierungen durchgeführt. Es blieben sogar ein paar Stunden für ein kleines Training mit leichten Winden auf dem Solent.
Die Vorhersage für das Fastnet war jedoch komplett anders. SW-liche Winde mit Stärken von 25 bis weit über 30 Knoten waren die Prognose. Am Tag des Starts ging es mit leichten Winden los, die binnen Stunden mit reichlich Regen angereichert zum Start schon 20 bis 24 Knoten erreichten.
Die Startreihenfolge wurde vorausschauend umgekehrt, so dass in diesem Jahr die schnellsten Schiffe zuerst und die langsamsten zuletzt starten sollten. Die Wettfahrtleitung wollte das Regattafeld entzerren, um Schäden und Kollisionen zu vermeiden. Damit war sie gut beraten. Trotzdem war es am Start unserer Gruppe IRC 1 mit 100 Booten immer noch sehr eng und belebt. Schäden blieben zumindest in dieser Phase noch aus.
Den Solent nach Westen hinaus kreuzten wir anfangs mit Genua 5 und einem Reff im Groß, vor Hurst Castle entschieden wir uns bei noch überschaubarer Welle das zweite Reff einzubinden. Wie sich kurz danach herausstellte war dies eine sehr gute Entscheidung.
Während wir bis zu diesem Punkt mit einem langen Bein und kurzen Holern kreuzten, wurde es nun zu einer beinharten Kreuz mit dem ablaufenden Ebbstrom. Wer die Elbe kennt, der kennt solchen kurzen hackigen Seegang. Dies aber war jedoch noch eine Dimension gröber! Der Wind hatte mittlerweile auf durchgehend über 30 Knoten zugelegt. Gut 7,5 Knoten Bootsgeschwindigkeit wurden durch den Strom auf über 10 Knoten über Grund beschleunigt. Die Welle kurz und teils brechend noch ‚nur‘ 1,5 bis 2,5 Meter hoch. Zwischen dem Hatherwood Point und den Needles auf der Isle of Wight und der luvwärts gelegenen Sandbank Shingles brodelte die See und setzte dem kreuzenden Feld der Fastnet Teilnehmer schwer zu. Dort waren Löcher in der Chaussee, die wir so noch nicht kannten. Die Boote krachten teilweise tief in die kurzen Wellentäler hinein und die folgende See ergoss sich über Deck, dazu heftiger Regen… Kein Zuckerschlecken!
In dieser Phase gab es dann auch erste Schäden, ein Boot sank und viele Teilnehmer gaben das Rennen auf, oder fuhren ein Stück zurück, warteten den Sturm ab, um später wieder ins Rennen zu gehen. Wir kamen schadlos durch und konnten uns nach dem vorsichtigen zurückhaltenden Start weit nach vorn kämpfen. So behielten wir den Anschluss und konnten uns mit den Favoriten um 40 Fuß und größer nach Südwesten durchschlagen. Die Wellen nach den Needles waren zwar um einiges länger, aber auch höher. Die Wellenhöhe lag geschätzt zwischen 2,5 und 5 m. Der Wind stabilisierte sich jenseits der 30 bis zu 38 Knoten. Die Wellen waren schwer auszusteuern und regelmäßig gingen mächtige grüne Seen über Deck. Die Crew war zwar angeschnallt, musste sich trotzdem zusätzlich festhalten und aufpassen, nicht nach Lee gespült zu werden. Am Ruder war es am gefährlichsten und so kam es auch dazu, dass Ann-Christin unsanft ins Cockpit gespült wurde. Glücklicherweise kam sie nur mit schmerzhafte Prellungen davon.
Damit erging es uns vergleichsweise gut. Keine Schäden an Boot oder Segeln, passende Beseglung gewählt und wir kamen gut voran. Lediglich Felix hatte die Seekrankheit erwischt und alle anderen waren sehr froh, dass dieser Kelch an uns vorbei ging, zumindest bis auf ein paar kleinere Ausnahmemomente. Wir waren zu neunt an Bord und konnten unser Wachsystem wie geplant fortsetzen.
An Deck war es nass, windig und Kräfte zehrend. Unter Deck wurde es zunehmend nasser und der Lärm unangenehm bis krachend laut. Die erste Freiwache war für uns alle unter diesen Bedingungen ungewohnt und an Schlaf war nur wenig zu denken. Der Wetterbericht hatte diese Bedingungen für 12 Stunden vorhergesagt und er hielt sich daran. Sonntagmorgen flaute der Wind gegen 2 Uhr schnell ab und der Regen verzog sich. Vor Torquay wurden die 2 Reffs ausgeschüttet und die Genua 3 gesetzt. Der Seegang war schon am späten Abend nach Tidenwechsel deutlich geringer und auch diese Entwicklung setzte sich fort.
Über Tag ließ der Wind weiter nach und die Sonne schien. Wir kreuzten weiter gen Westen und konnten am mittleren Nachmittag Lizzard Point umrunden und nach WNW abfallen. Ein schöner Jibreach brachte uns schnell nach Land’s End von wo wir gen Norden abbogen, um das Verkehrstrennungsgebiet klar an Backbord liegen zu lassen. Am Ende des Verkehrstrennungsgebietes ging der Code 0 hinunter und wir gingen hoch an den Wind gen Fastnet Rock, Kurs 295 Grad für die nächsten 160 Meilen.
In der Nacht sollte der Wind von West gen Nord drehen. Unklar war wann dies geschehen und wie der Dreher vonstattengehen würde. So gab es unterschiedliche Interpretationen der Windvorhersage und das Feld der Boote um uns herum fuhr in verschiedene Richtungen. Wir entschieden uns für den direkten Weg und kamen am frühen Abend zusammen mit unseren Konkurrenten ‘Sunrise’, ‘Dawn Treader’ (beide JPK 1180) und der späteren Gewinnerin ‘Pintia’, einer exzellent gesegelten J 133 aus Frankreich, am Fastnet Rock an. Damit hatten wir gut die halbe Strecke hinter uns.
Die Rundung des Fastnet Rocks gelang uns gegen 19 Uhr bei Tageslicht, ein echtes Privileg, da die meisten Schiffe den Felsen traditionell nachts umrunden! Nicht nur, dass die Küstenlinie von Südwest-Irland wunderschön ist. Der Rock ist von allen Seiten atemberaubend, groß, wellen umtobt, hoch, schroff, einfach irre! Wir wurden von zwei Fotografenbooten um den Rock begleitet und am Ende kam auch noch ein Helikopter samt Kameramannschaft dazu. So etwas haben wir noch nicht erlebt!
Vom Rock ging es unter Gennaker A 2 bei 20 bis 23 Knoten Wind aus NW zurück zu den Scillies, schon wieder 165 Meilen im Stück. Anfangs waren die Bedingungen noch recht ruppig, schnelle und dank des Atlantikschwells, lange Surfs waren schwierig zu steuern und kosteten viel Kraft für Steuermann und Trimmer. Da wir nur drei Steuerleute an Bord hatten, die solchen Situationen gewachsen sind, kam ich ins Grübeln wie wir dieses Problem lösen können. – Es löste sich nach ein paar Stunden von selbst, indem der Wind auf etwa 14 bis 18 Konten zurück ging und die Nacht über konstant durchhielt.
Unsere Wettbewerber konnten wir nach dem Rock auf eine gute Distanz abschütteln. Die Ginkgo ist durch ihr Leichtgewicht eine echte Rakete down wind. Aber wir müssen eben auch unser Rating heraus segeln, was nicht so ganz einfach ist, wie sich später zeigen sollte. Wir entschieden uns dem Routing, welches uns aufgrund der letzten Windvorhersagen am Fastnet Rock zuerst nach Osten schicken wollte, nicht zu folgen und fuhren somit zuerst den Streckbug bis zum Verkehrstrennungsgebiet vor den Scillies. Dieses wollen wir dann jedoch an Steuerbord liegen lassen, um den kürzesten Weg zu wählen und den Vorteil des aktuellen Winddrehers auszunutzen. Unser Konkurrent ‘Sunrise’ kreuzte am nächsten Morgen mit einem Abstand von nur etwa 5 Meilen unser Kielwasser und entschied sich westwärts um das Verkehrstrennungsgebiet zu fahren. Für uns eine gute Entscheidung!
In den sonnigen Morgenstunden erschien zum zweiten Mal der Helikopter samt Fotografen am Himmel, näherte sich von hinten, umkreiste uns, flog über uns und nutzte das erste schöne Sonnenlicht für schöne Aufnahmen unserer Ginkgo unter A2 mit Spi-Stagesegel. Welch eine Ehre!
An den Scillies und den eindrucksvollen Leuchttürmen Bishop Rock und Wolf Rock vorbei fuhren wir unter leichten SW-lichen Winden zurück in den englischen Kanal. Auf dem direkten Weg gen Cherbourg, immerhin weitere 165 Meilen, eine weite Strecke auf dem 180 Degree Highway bei leichten Bedingungen. Immerhin hatten wir noch Wind genug, um uns mit den Drehern auf kürzestem Weg gen Ziel zu schleichen. Die uns folgenden Boote hatten da weniger Glück und blieben in einer ausgedehnten Flaute bei den Scillies hängen. So konnten wir unseren Abstand Stück für Stück auf bis zu 50 Meilen ausbauen. Die Nacht war der reinste Flautenpoker mit 4 Knoten Wind, der nach Süden drehen sollte, es aber nicht tat und der an Stärke zunehmen sollte, aber nicht zunahm. Erst gegen 8 Uhr stabilisierte sich der Wind, drehte auf Süd und nahm langsam wieder zu. So konnten wir direkten Weges gen Cherbourg fahren, ganz allein, gänzlich ohne Infos über unsere Wettbewerber. In der Nacht waren wir zwischenzeitlich von Platz 3 in IRC 1 auf Platz 1 gerückt und hatten alle Hoffnung diesen Platz bis nach Cherbourg zu halten.
Der neue Wind kam aber auch bei den Scillies an, nur früher als bei uns. So schrumpfte der Abstand auf 35 nm und später noch weniger. Die letzte Hoffnung war die kippende Tide vor Cherbourg, die uns noch kräftig gen Ziel schob. Es kam anders, der Wind legte stetig zu. Die Richtung war für alle günstig und die Rauschefahrt galt für alle.
Um 15:45 Uhr kreuzten wir am Mittwoch nach 4 Tagen, 1 Stunde und 45 Minuten die Ziellinie in Cherbourg. Im Ergebnis landeten wir in IRC 1 auf Platz 5 von 100 Startern, in der Gruppe IRC 1A, den 19 großen Booten aus IRC 1, auf Platz 1 und über alle IRC Boote auf Platz 21 von 358 Startern. Unsere direkten Wettbewerber segelten 2,5 bis 5 Stunden länger uns landeten trotzdem vor uns auf der Ergebnisliste. Sei es ihnen gegönnt. Herzlichen Glückwunsch zu ihren Erfolgen!

Dieses Fastnet Race komplett und mit dieser nicht erwartet guten Platzierung absolviert zu haben, erfüllt uns alle mit Stolz! Dabei haben wir keine besonderen Glückssträhnen erlebt, sondern sind sauber aus dem Solent gekreuzt, haben die Winddrehungen auch bei dem vielen Wind mitgenommen, haben uns nicht nur auf das Routing aus dem Computer verlassen und dafür konsequent und strategisch solide agiert. Wir haben die Segel gewechselt sobald es anstand und durchgehend aufmerksam getrimmt und gesteuert. Allein dies ist eine tolle Leistung der gesamten Crew. Jeder Wache hat am selben Strang gezogen und durchgehend gepusht!
Die Abteilung Strategie und Routing! – Sehr erfolgreich und immer up to date!
Am Ende sind es sicher viele kleine Faktoren, die dazu geführt haben, dass wir sicher und so schnell über den Kurs gekommen sind. Dahinter steckt ein tolles GinkgoTeam mit viel Erfahrung im Segeln und im Umgang mit der Ginkgo. Seit nunmehr schon wieder 5 Saisons haben wir gemeinsam unsere Erfahrungen gesammelt und konnten viele davon auch in diesem Rennen wieder einsetzen.
Einen ganz großen und herzlichen Dank an des gesamte GinkgoTeam, wenn auch nicht alle an Bord sein konnten: Antje, Ann-Christin, Ulli, Andreas, Lasse, Ole, Felix, Jacob, Moritz, Frank und Christian!
Den Unterstützern und Verfolgern und allen weiteren Anhängern des Ginkgo Sailing Teams herzlichen Dank für Eure anerkennenden, aufmunternden und anfeuernden Posts und Mitteilungen auf den vielen Kanälen!
Auch für die kommenden Jahre planen wir wieder spannende und größere Projekte mit der Ginkgo und ihrer Crew. Dafür benötigen wir weiterhin eine große Crew und zusätzliche erfahrene Seglerinnen und Segler. Wer Lust und Zeit für solche Projekte hat und Erfahrungen aus dem Regattasport mitbringen kann, kann sich gern bei uns melden!

Herzliche Grüße von der Crew der Ginkgo!