Als das Meldeportal öffnete, trudelten die ersten Einschreibungen für die Weltmeisterschaft nur langsam ein. Doch bevor sich Enttäuschung auf Seiten der Organisatoren oder der Aktiven einstellen konnte, stiegen die Meldezahlen rekordverdächtig an. Mit 90 Seglerinnen und Seglern bei der WM sind die Erwartungen laut Klassenboss Heiko Kröger letztlich sogar übertroffen worden. „Ursprünglich hatte ich durchaus viele Meldungen erwartet. Als es dann anfänglich lange Zeit nur sehr wenige waren, war ich schon etwas enttäuscht. Und jetzt sind es mehr als gedacht. Ich hatte mit rund 80 gerechnet. Toll, dass wir so viele sind – besonders, weil es für unsere Klasse keine Förderung mehr gibt und die Aktiven die Kosten selbst tragen müssen“, freut sich Kröger. Er bezieht sich damit darauf, dass die Klasse deutlich geschrumpft ist, seit sie nicht mehr paralympisch (2000 bis 2016) ist und die Förderungen dementsprechend zurückgegangen sind.
Auf den Standort Kiel sei die Wahl neben des idealen Segelreviers auch wegen der guten Erreichbarkeit für viele Nationen über Land oder per Fähre gefallen, erklärt er. Ganz offensichtlich ist diese Idee gut aufgegangen.
Ein Pluspunkt für die Aktiven der Klasse war die Tatsache, dass auch in diesem Jahr wieder eine 2.4mR-Regatta Bestandteil der Kieler Woche Ende Juni war, quasi als perfekte inoffizielle Generalprobe im WM-Revier. Die Chance, die Kieler-Woche-Regatta als Vorbereitung für die Weltmeisterschaft zu nutzen, nahmen sehr viele WM-Teilnehmende wahr. Segler und Seglerinnen mit weiterer Anreise hatten zudem die Möglichkeit, ihre Boote im Anschluss direkt in Kiel zu lassen und so einen weiteren Transport zu vermeiden.
Üblicherweise treten die 2.4mR-Segler und -Seglerinnen bei der Kieler Woche meist auf einer relativ unter Land gelegenen Regattabahn in Strandnähe an. In diesem Jahr war es anders, und das war gut so, sagt Klassenpräsident Heiko Kröger (Kieler Yacht-Club/Norddeutscher Regatta Verein): „Es war hilfreich, dass wir mal auf einer anderen Bahn waren, um neue Bedingungen kennenzulernen. Denn bei der WM werden wir viel Platz haben, weil nicht parallel noch viele weitere Regatten starten, und deshalb vermutlich in für uns neuen Arealen segeln.“ Die amtierende Vizeweltmeisterin Megan Pascoe aus Großbritannien pflichtete ihm in dem Punkt bei und freute sich auch über neue Herausforderungen.
Dass die Weltmeisterschaft in diesem Jahr vor Kiel-Schilksee ausgetragen wird, kommt Heiko Kröger als 15-fachem Kieler-Woche-Sieger auf jeden Fall zugute und weckt seinen Ehrgeiz noch ein bisschen mehr. „Natürlich will ich im Heimatgewässer gewinnen“, kündigt der Titelverteidiger an. Zwei WM-Titel in der Offenen Klasse, 2001 und 2023, sowie elfmal WM-Gold in der Para-Weltmeisterschaft der Klasse 2.4mR hat Kröger bereits gewonnen. Neben vielen weiteren Erfolgen kann er zudem je einmal paralympisches Gold (Sydney/2000) und Silber (London/2012) verbuchen. Bei der Kieler Woche 2024 siegte er mit deutlichem Vorsprung vor der Para-Seglerin Megan Pascoe – eine äußerst geglückte Generalprobe für die Weltmeisterschaft.
In deutschen Gewässern hatte Kröger zuletzt in Warnemünde Para-WM-Gold geholt, als pandemiebedingt die Weltmeisterschaft in Norwegen abgesagt werden musste und die „2.4mR Para World Sailing Championship 2021“ deshalb im Rahmen einer offenen Regatta in Warnemünde ausgetragen wurde. Zuletzt fand die 2.4mR-WM in Deutschland 2003 in Eckernförde statt. Im kommenden Jahr ist sie am Gardasee geplant.
Als Favoriten in Kiel sieht Kröger neben der Britin Megan Pascoe, die Italiener Davide di Maria und Antonio Squizzato, den Finnen Marco Dahlberg sowie aus deutscher Sicht Christoph Trömer (Plauer Hai-Live e.V.). Dass die Einschätzung realistisch ist, zeigt die Ergebnisliste der Kieler-Woche-Regatta der Klasse, auf der genau diese Namen auf den Plätzen eins bis sechs stehen.
Wie so oft bei den Regatten der Klasse stand der Name Megan Pascoe direkt hinter dem des diesjährigen Kieler-Woche-Siegers Heiko Kröger. „Wir batteln uns schon seit bald 20 Jahren, mal liegt Heiko vorne, mal ich“, sagt die Para-Seglerin mit einem Grinsen, das zeigt, dass ihr der jahrelange Kampf mit Kröger um Platz eins durchaus Spaß macht und sie sich auch bei der Weltmeisterschaft wieder darauf einstellt. Bei der EM 2022 hatte sie den Bug vorne. Die Britin kennt das Revier der Strander Bucht bereits seit rund zehn Jahren und lobt es als guten Austragungsort. In ihrer Heimat trainiert Pascoe auf einem See, wo sie sich auch auf die WM vorbereitet hat. Bereits im Alter von 14 Jahren hat sie begonnen, 2.4mR zu segeln. Mit 21 hat sie zum ersten Mal an einer Regatta in Deutschland teilgenommen. Die Klasse sei in Großbritannien nicht sehr groß, aber das kleine Kielboot in ihren Augen vom Handling her sehr frauenfreundlich konzipiert. Pascoes Ziel bei der Weltmeisterschaft ist auf jeden Fall eine Medaille.
Auf dem Siegerpodest bei den 2.4mR stand bei der Kieler Woche ebenso als Drittplatzierter Marko Dahlberg aus Finnland. Auch er ist ein Podiumskandidat bei der anstehenden Weltmeisterschaft in Kiel. 2003 bei der WM in Eckernförde holte er Gold. Das Revier vor Schilksee war im 2.4mR-Kielboot für ihn bei der Kieler Woche allerdings Neuland. Bislang kannte er es nur von Regatten in anderen Klassen wie dem Folkeboot und dem Starboot. Dahlberg stammt aus dem finnischen Tampere, wo 2023 die Weltmeisterschaft ausgetragen wurde, bei der Heiko Kröger mit deutlichem Abstand vor Megan Pascoe gewann. Die Bedingungen in Kiel mit eher kurzen Wellen vergleicht der Finne mit denen in seinem Heimatrevier, dem großen See Näsijärvi.
Auch der aus dem italienischen Mailand stammende Para-Segler Davide di Maria kennt das Segelrevier vor Kiel-Schilksee bereits seit einigen Jahren. Die Windbedingungen seien ein wenig wie die in seinem Heimatrevier, dem Gardasee, sagt er. Sein Ziel bei der Weltmeisterschaft: Spaß haben und eine Top-Ten-Platzierung ersegeln.
Das 4,18 Meter lange Einmann-Kielboot des Typs 2.4mR gilt selbst für versierte Wettkampfseglerinnen und -segler als komplex im Handling, aber dennoch extrem inklusiv, denn alle Bedienelemente sind beim 2.4mR leicht zu erreichen. Gesteuert wird das Boot entweder mit den Händen oder Füßen. Das Gewicht der Aktiven liegt in der Nähe des Schwerpunkts, weshalb Größe und Fitness unwesentlich Einfluss auf die Geschwindigkeit des Bootes haben. Nicht Alter, körperliche Stärke oder Geschlecht zählen, sondern die Segelfähigkeiten der Teilnehmenden. Das ist auch der Grund, warum Pascoe das Boot als ausgesprochen frauenfreundlich bezeichnet. Bei der Offenen Weltmeisterschaft vor Kiel-Schilksee sind alle Boote der Klasse 2.4mR zugelassen, für die Para-Weltmeisterschaft alle Boote der 2.4 NOD Klasse (Norlin One Design). Text: Katrin Heidemann